Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen
ursprünglich als schwere Straftat, weshalb bei seiner Festnahme die DNA -Bestimmung in Kraft trat. Deshalb wurde seine DNA in der Datenbank gespeichert.«
»Verstehe. Doch noch einmal zurück zum Kleid des Opfers und dem Sperma, das sich darauf befand. Wie haben Sie festgestellt, dass das Sperma am Tag von Melissas Ermordung darauf gelangt ist?«
Zunächst schien Atwater die Frage nicht zu verstehen. Aber diese Reaktion war sorgfältig einstudiert.
»Überhaupt nicht«, antwortete sie schließlich. »Es ist unmöglich, genau festzustellen, wann es dorthin gelangt ist.«
»Wollen Sie damit sagen, es könnte schon eine Woche vor ihrem Tod auf dem Kleid gewesen sein?«
»Ja. Es gibt keine Möglichkeit, das festzustellen.«
»Könnte es sich auch einen ganzen Monat darauf befunden haben?«
»Auch das ist möglich, weil es …«
»Ein Jahr?«
»Auch hier gilt, es ist …«
»Einspruch!«
Royce stand auf. Wurde auch Zeit, dachte ich.
»Euer Ehren, wie lang soll das noch so weitergehen? Das tut nichts zur Sache.«
»Frage zurückgezogen, Euer Ehren. Mr. Royce hat recht. Das tut nichts zur Sache.«
Um zu unterstreichen, dass Atwater und ich jetzt eine andere Richtung einschlagen würden, machte ich eine kurze Pause.
»Ms. Atwater, Sie haben kürzlich eine zweite DNA -Analyse im Zusammenhang mit dem Fall Melissa Landy vorgenommen, richtig?«
»Ja, das ist richtig.«
»Können Sie uns sagen, was sie ergeben hat?«
Bevor Atwater antwortete, strich sie sich die pinkfarbene Haarsträhne hinters Ohr.
»Ja, wir haben an verschiedenen Haarproben DNA -Extraktionen durchgeführt und diese anschließend miteinander verglichen. Das waren zum einen Haare des Opfers, Melissa Landy, die zusammen mit anderen von der Obduktion stammenden Proben aufbewahrt worden waren, zum anderen waren es Haare, die in dem Abschleppwagen gefunden worden waren, den der Angeklagte Jason Jessup gefahren hatte.«
»Um wie viele Haarproben handelt es sich hier genau?«
»Letztlich jeweils nur eine. Unsere Zielvorgabe war, Kern- DNA zu extrahieren, die nur in der Haarwurzel vorhanden ist. Von den Proben, die wir hatten, gab es nur eine brauchbare Extraktion von den aus dem Abschleppwagen stammenden Haaren. Deshalb verglichen wir diese DNA mit der DNA einer Haarprobe von der Obduktion.«
Ich lotste sie durch die Befragung und versuchte, die Erklärungen so einfach und verständlich wie möglich zu halten. Gerade so weit, um damit noch durchzukommen, wie im Fernsehen. Ich behielt sowohl meine Zeugin als auch die Geschworenenbank im Auge und passte auf, ob alle mitkamen und nicht das Interesse verloren.
Schließlich kamen wir am anderen Ende des techno-genetischen Tunnels heraus und wandten uns Lisa Atwaters Schlussfolgerungen zu. Sie projizierte mehrere farbige Tabellen und Schaubilder auf die Bildschirme und erläuterte sie ausführlich. Aber letztlich lief es immer wieder auf dasselbe hinaus; um es wirklich zu schlucken, mussten es die Geschworenen hören. Das Wichtigste, was ein Zeuge in einen Gerichtssaal mitbringt, ist sein Wort.
Nachdem alle Tabellen präsentiert worden waren, kam es auf Atwaters Worte an.
Ich drehte mich um und sah auf die Uhr. Ich lag zeitlich genau im Plan. In weniger als zwanzig Minuten würde die Richterin die Verhandlung für beendet erklären. Ich drehte mich wieder um und setzte zum Todesstoß an.
»Ms. Atwater, haben Sie irgendwelche Bedenken oder Zweifel bezüglich der genetischen Übereinstimmung, die Sie gerade erläutert haben?«
»Nein, nicht die geringsten.«
»Besteht für Sie irgendein Zweifel, dass das Haar von Melissa Landy eindeutig mit der Haarprobe aus dem Abschleppwagen übereinstimmt, den der Angeklagte am 16. Februar 1986 gefahren hat?«
»Daran besteht für mich nicht der geringste Zweifel.«
»Lässt sich der Wahrscheinlichkeitsgrad dieser Übereinstimmung in irgendeiner Form veranschaulichen?«
»Ja, wie bereits erläutert, haben wir im CODIS -Protokoll für neun der dreizehn genetischen Marker Übereinstimmungen gefunden. Die Kombination dieser neun speziellen genetischen Marker ist bei einer von eins Komma sechs Billionen Personen anzutreffen.«
»Heißt das, es besteht eine Wahrscheinlichkeit von eins zu eins Komma sechs Billionen, dass das Haar, das in dem vom Angeklagten gefahrenen Abschleppfahrzeug gefunden wurde, von jemand anderem stammt als von Melissa Landy?«
»Das könnte man so sagen, ja.«
»Ms. Atwater, wissen Sie, wie viele Menschen gegenwärtig auf der Erde
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