Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen
hatte sich Bosch in allen einschlägigen Abteilungen des LAPD umgehört. Aufgrund von Romans Vorstrafenregister war er davon ausgegangen, dass Roman im Gegensatz zu Sarah Gleason nie von seiner Sucht losgekommen war. Demnach musste unter den Drogenfahndern jemand sein, dem er schon einmal über den Weg gelaufen war.
Boschs Bemühungen wurden von einem Anruf von Reyes belohnt. Über Romans aktuellen Verbleib konnten ihm Reyes und sein Partner zwar nichts sagen, aber sie kannten ihn von früheren Straßendeals und wussten, wo die Nutte zu finden war, mit der er sich zusammengetan hatte und die offensichtlich sehnlichst auf seine Rückkehr wartete. Drogenabhängige suchten sich häufig eine Prostituierte, der sie als Gegenleistung für einen Anteil an den von ihren Einnahmen gekauften Drogen ihren Schutz anboten.
Bosch parkte hinter den Drogenfahndern und ging zu ihrem Wagen. Er vergewisserte sich, dass auf dem Rücksitz keine Kotze oder sonstiger Dreck von den Leuten war, die sie in letzter Zeit befördert hatten, dann stieg er hinten ein.
»Detective Bosch, oder?«, sagte der Fahrer, von dem Bosch annahm, dass es Reyes war.
»Ja. Alles klar, Leute?«
Bosch reckte die Faust über den Sitz, und sie stießen beide mit ihren Fäusten dagegen und stellten sich vor. Er hatte falsch geraten. Derjenige, der aussah wie ein Latino, war Sullivan, und die Käsesemmel war Reyes.
»Gilbert und Sullivan, hm?«
»So haben sie uns getauft, als wir Partner wurden«, sagte Sullivan. »Und das ist dann irgendwie hängen geblieben.«
Bosch nickte. Das reichte fürs persönliche Kennenlernen. Jeder hatte einen Spitznamen und eine Geschichte dazu. Diese beiden Typen waren nicht einmal zusammen so alt wie Bosch und hatten vermutlich nicht den leisesten Schimmer, wer Gilbert und Sullivan waren.
»Ihr kennt also Eddie Roman?«
»Wir hatten das Vergnügen«, sagte Reyes. »Noch so ein Stück Scheiße, das hier durch die Gegend schwimmt.«
»Aber wie bereits am Telefon gesagt, haben wir ihn schon mindestens einen Monat nicht mehr gesehen«, fügte Sullivan hinzu. »Deshalb können wir nur mit dem Nächstbesten dienen. Seine Zwiebel. Sie ist dort drüben in Zimmer drei.«
»Wie heißt sie?«
Sullivan lachte, und Bosch verstand nicht, was daran witzig sein sollte.
»Sie heißt Sonia Reyes«, sagte Reyes. »Nicht verwandt oder verschwägert.«
»Soweit er weiß«, fügte Sullivan hinzu und brach in Gelächter aus. Bosch stieg nicht darauf ein.
»Wie buchstabiert man das?«, fragte er stattdessen.
Er holte sein Notizbuch heraus und schrieb sich den Namen auf.
»Und ihr seid sicher, dass sie in diesem Zimmer ist?«
»Ganz sicher«, sagte Reyes.
»Okay, sonst noch etwas, was ich wissen sollte, bevor ich sie besuche?«
»Nein«, sagte Reyes, »aber wir kommen mit. Bei dir allein könnte sie rumzicken.«
Bosch klopfte ihm auf die Schulter.
»Keine Sorge, das bekomme ich schon hin. Und vor allem will ich keine Zuschauer.«
Reyes nickte. Er hatte verstanden. Bosch wollte bei dem, was er vielleicht tun musste, keine Zeugen.
»Trotzdem danke für die Hilfe. Wird auch weitergegeben.«
»Wichtiger Fall, hm?«, sagte Sullivan.
Bosch öffnete die Tür und stieg aus.
»Das sind sie alle.«
Er schloss die Tür, klopfte zweimal aufs Dach und ging los.
Das Motel war von einem zweieinhalb Meter hohen Sicherheitszaun umgeben. Bosch musste auf einen Klingelknopf drücken und seine Dienstmarke in eine Kamera halten. Die Türverriegelung öffnete sich mit einem leisen Summen. Bosch ging an der Rezeption vorbei zu einem überdachten Verbindungsgang, der zu den Zimmern führte.
»Hey!«, rief jemand hinter ihm.
Bosch drehte sich um und sah einen Mann mit einem offenen Hemd aus der Tür der Rezeption schauen.
»Wo wollen Sie hin, Mann?«
»Gehen Sie wieder rein und schließen Sie die Tür. Polizei.«
»Das kann jeder sagen, Mann. Auch wenn ich Sie reingelassen hab, das hier ist Privatbesitz. Sie können hier nicht einfach ankom…«
Bosch ging rasch auf den Mann zu, worauf es sich dieser plötzlich anders überlegte und den Rückzug antrat, ohne dass Bosch ein Wort sagen musste.
»Keinen Stress, Mann. Alles klar?«
Der Mann verschwand in sein Büro und schloss die Tür. Bosch machte wieder kehrt und hatte Zimmer Nummer drei rasch gefunden. Er hielt den Kopf an die Tür und lauschte. Nichts. Aus dem Zimmer kam kein Laut.
In der Tür war ein Spion. Bosch legte den Finger darauf und klopfte. Er wartete und klopfte noch einmal.
»Sonia,
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