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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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dann mehr Zeit für ihre Prozessvorbereitungen einräumte.
    »Tja, wie Sie sich bestimmt vorstellen können, hatten wir nicht damit gerechnet, dass sich die Dinge so entwickeln würden, wie sie das getan haben«, sagte Royce. »Folglich stehen wir mit unseren Vorbereitungen noch ganz am Anfang. Aber auch ich werde keine Spielchen mit Ihnen treiben, Mick. In Kürze werden auch Sie eine CD erhalten – vorausgesetzt, wir haben überhaupt etwas offenzulegen.«
    Ich wusste, dass die Verteidigung bei der gegenseitigen Akteneinsicht aus praktischen Gründen normalerweise immer nur sehr wenig herausrückte, es sei denn, sie hatte vor, eine umfassende Verteidigung zu fahren. Aber ich ließ mir diese Bemerkung eine Warnung sein, denn ich traute Royce nicht über den Weg. Bei einem derart alten Fall war nicht auszuschließen, dass er plötzlich einen Alibizeugen oder sonst eine Überraschung aus dem Ärmel zauberte. Und über so etwas wollte ich im Bild sein, bevor ich beim Prozess damit konfrontiert wurde.
    »Dafür wäre ich Ihnen dankbar«, sagte ich.
    In diesem Moment kam Lorna herein. Sie trug zwei braune Papiertüten, von denen eine mein French-Dip-Sandwich enthielt.
    »Oh, ich habe gar nicht mitbekommen …«
    Royce drehte sich auf seinem Stuhl um.
    »Ah, unsere bezaubernde Lorna. Wie geht es Ihnen, meine Teuerste?«
    »Hallo, Clive. Ich sehe, Sie haben die CD bereits.«
    »In der Tat. Danke, Lorna.«
    Mir war aufgefallen, dass Royce’ englischer Akzent und der entsprechend förmliche Ton in bestimmten Situationen ausgeprägter waren. Ganz besonders in Gegenwart attraktiver Frauen. Ich fragte mich, ob er das bewusst machte oder nicht.
    »Ich habe zwei Sandwiches, Clive«, sagte Lorna. »Möchten Sie eines?«
    Ich konnte im Moment nicht vertragen, dass Lorna auf perfekte Gastgeberin machte.
    »Ich glaube, Royce wollte gerade gehen«, sagte ich deshalb rasch.
    »Allerdings, meine Beste, ich muss leider aufbrechen. Aber dennoch vielen Dank für das überaus freundliche Angebot.«
    »Ich bin im Vorzimmer, falls du mich brauchst, Mickey.«
    Lorna verließ mein Büro und schloss die Tür hinter sich.
    Royce wandte sich wieder mir zu und sagte leise: »Nur unter uns, Mick. Sie hätten sich nie von ihr trennen dürfen. So eine Frau findet man kein zweites Mal im Leben. Und jetzt tun Sie sich auch noch mit der ersten Mrs. Haller zusammen, um einen Unschuldigen um seine lange verdiente Freiheit zu bringen. Das nimmt geradezu inzestuöse Züge an, finden Sie nicht auch?«
    Ich sah ihn nur lange an.
    »Sonst noch was, Clive?«
    Er hielt die CD hoch.
    »Ich glaube, das müsste für heute eigentlich genügen.«
    »Gut. Ich habe nämlich noch zu tun.«
    Ich begleitete ihn durchs Vorzimmer nach draußen und schloss die Tür hinter ihm. Dann drehte ich mich um und sah Lorna an.
    »Komisches Gefühl, nicht?«, sagte sie. »Plötzlich auf der anderen Seite zu stehen – auf der Seite der Anklage.«
    »Allerdings.«
    Sie hielt eine der Sandwichtüten hoch.
    »Nur so eine Frage«, sagte ich. »Wessen Sandwich wolltest du ihm geben, deins oder meins?«
    Sie sah mich mit todernster Miene an, dann brach sich ein schuldbewusstes Lächeln Bahn.
    »Ich wollte nur höflich sein. Wir hätten uns doch eines teilen können.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Gib mein French-Dip-Sandwich nie einem anderen. Schon gar nicht einem Strafverteidiger.«
    Ich riss ihr den Beutel aus der Hand und flötete mit meinem besten englischen Akzent: »Tausend Dank, meine Teuerste.«
    Sie lachte, und ich zog mich zum Essen in mein Büro zurück.

12
    Donnerstag, 18. Februar, 15:31 Uhr
    I n Port Townsend fuhren Bosch und McPherson von der Fähre und folgten den Richtungsangaben des Navi zu der auf Sarah Ann Gleasons Führerschein angegebenen Adresse. Die Strecke führte durch den kleinen viktorianischen Küstenort in eine ländliche Gegend mit großen, einsam gelegenen Anwesen. Gleasons Haus war ein schlichtes kleines Holzhaus, das nicht mit dem viktorianischen Look des nahe gelegenen Städtchens mithalten konnte. Der Detective und die Staatsanwältin standen auf der Veranda und klopften, aber niemand öffnete ihnen.
    »Vielleicht ist sie bei der Arbeit«, bemerkte McPherson.
    »Könnte sein, ja.«
    »Dann fahren wir am besten nach Port Townsend zurück, nehmen uns dort ein Zimmer und kommen nach fünf noch mal her.«
    Bosch sah auf die Uhr und stellte fest, dass in L.A. gerade die Schule aus war und Maddie vermutlich mit Sue Bambrough nach Hause fuhr. Wahrscheinlich

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