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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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strafte seine Tochter die stellvertretende Schuldirektorin mit Schweigen.
    Er stieg von der Veranda und ging zur Hausecke.
    »Wo willst du hin?«
    »Kurz hinten nachsehen. Warte hier so lange.«
    Als Bosch um die Ecke bog, sah er, dass hundert Meter hinter dem Haus ein zweites Gebäude war. Eine fensterlose Scheune oder Garage. Auffällig daran war, dass sie einen Schornstein hatte. Er konnte Hitzeschlieren, aber keinen Rauch aus den zwei schwarzen Rohren aufsteigen sehen, die über den Dachfirst ragten. Vor den geschlossenen Toren standen zwei Pkws und ein Lieferwagen.
    Bosch blieb so lange stehen und schaute, dass schließlich auch McPherson um die Ecke kam.
    »Wo bleibst du …?«
    Bosch gebot ihr mit erhobener Hand Schweigen, dann deutete er auf das Nebengebäude.
    »Was ist das?«, flüsterte McPherson.
    Bevor Bosch antworten konnte, ging eins der Garagentore ein Stück auf, und ein junger Mann kam nach draußen. Er trug eine bodenlange schwarze Schürze und feste, bis zu den Ellbogen reichende Handschuhe, die er auszog, um sich eine Zigarette anzustecken.
    »Scheiße«, zischte McPherson in Beantwortung ihrer eigenen Frage.
    Bosch ging hinter der Hausecke in Deckung und zog McPherson mit sich.
    »Bei jeder ihrer Festnahmen war Meth ihre bevorzugte Droge«, flüsterte er.
    »Super«, zischte McPherson. »Unsere wichtigste Zeugin betreibt eine Meth-Küche.«
    Der rauchende junge Bursche drehte sich um. Anscheinend hatte aus dem Innern des Gebäudes jemand nach ihm gerufen. Er warf die Zigarette auf den Boden, trat sie aus und ging wieder hinein. Er zog das Tor hinter sich zu, schloss es aber nicht ganz, sondern ließ es einen etwa fünfzehn Zentimeter breiten Spalt offen stehen.
    »Komm«, flüsterte Bosch.
    Er wollte bereits um die Ecke biegen, aber McPherson legte ihm die Hand auf den Arm.
    »Warte. Wie stellst du dir das vor? Wir müssen die Polizei von Port Townsend anrufen und Verstärkung anfordern.«
    Bosch sah sie kurz an, ohne zu antworten.
    »Ich habe die Polizeiwache gesehen, als wir durch den Ort gefahren sind«, fügte McPherson hinzu, als wollte sie ihm vor Augen führen, dass Verstärkung bereitstünde und nur darauf wartete, ihnen zu Hilfe zu kommen.
    »Sie werden nicht sehr hilfsbereit sein, wenn wir sie um Verstärkung bitten«, brummte Bosch. »Wir haben uns nicht bei ihnen gemeldet, als wir hier angekommen sind. Sie werden sie festnehmen, und dann haben wir eine Hauptzeugin, die auf eine Verhandlung wegen aller möglichen Drogenvergehen wartet. Wie würde das wohl bei unseren Geschworenen ankommen?«
    Sie antwortete nicht.
    »Weißt du was?«, fuhr Bosch fort. »Du wartest hier, und ich erkunde mal die Lage. Drei Autos. Das heißt, wahrscheinlich drei Köche. Wenn ich es allein nicht geregelt bekomme, fordern wir Verstärkung an.«
    »Wahrscheinlich sind sie bewaffnet, Harry. Du …«
    »Wahrscheinlich sind sie nicht bewaffnet. Ich sehe nach, was da drinnen genau los ist, und dann verständigen wir, wenn nötig, Port Townsend.«
    »Also, ich weiß nicht.«
    »Es könnte sogar von Vorteil für uns sein.«
    »Inwiefern?«
    »Überleg doch mal. Du passt auf, ob ich dir ein Zeichen gebe. Und wenn etwas schiefgeht, läufst du zum Auto und haust ab.«
    Er hielt ihr die Autoschlüssel hin, und sie nahm sie widerstrebend an sich. Er merkte, dass sie über das, was er gesagt hatte, nachdachte. Über den Vorteil. Wenn sie ihre Zeugin in einer kompromittierenden Situation ertappten, konnten sie das vielleicht als Druckmittel einsetzen, sie dazu zu bringen, mit ihnen zu kooperieren und beim Prozess als Zeugin aufzutreten.
    Bosch ließ McPherson an der Hausecke zurück und ging auf der mit Muschelgrit aufgeschütteten Zufahrt auf die Scheune zu. Da nicht auszuschließen war, dass sie eine Wache aufgestellt hatten, versuchte er nicht, sich unbemerkt anzuschleichen. Um sich einen möglichst harmlosen Anschein zu verleihen – nur jemand, der sich verfahren hatte und nach dem Weg fragen wollte –, hatte er die Hände in die Hosentaschen geschoben.
    Der Muschelgrit knirschte unter seinen Schritten. Als er sich der Scheune näherte, hörte er laute Musik aus dem Innern dröhnen. Es hörte sich nach Heavy Metal an, ein Stück, das er nicht kannte. Irgendwas mit dröhnenden Gitarren und hämmerndem Beat. Irgendwie retromäßig, wie ein Song, den er vor langer Zeit mal gehört hatte, möglicherweise in Vietnam.
    Als er noch etwa fünf Meter von dem ein wenig offen stehenden Tor entfernt war, wurde es von innen

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