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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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mich nicht unbedingt unglücklich, es ist nur etwas eigenartig, mehr nicht.«
    Über ihre Züge huschte der Anflug eines Lächelns.
    »Ich habe das nicht in Hinblick auf den Fall gemeint, sondern auf dich persönlich. Du bist nicht glücklich.«
    Bosch blickte auf die Kaffeetasse hinab, die er mit beiden Händen auf dem Tisch hielt. Nicht wegen des Seegangs, sondern weil ihm kalt war und ihn der Kaffee innerlich und äußerlich wärmte.
    »Ah?«, erwiderte er.
    Darauf legte sich ein langes Schweigen zwischen sie. Er war nicht sicher, wie viel er dieser Frau gegenüber von sich preisgeben sollte. Er kannte sie gerade mal eine Woche, und sie stellte schon Beobachtungen über ihn an.
    »Ich habe im Moment einfach keine Zeit, um glücklich zu sein«, sagte er schließlich.
    »Mickey hat mir von dieser Geschichte in Hongkong erzählt und was mit deiner Tochter passiert ist – jedenfalls so viel er mir darüber erzählen zu dürfen glaubte.«
    Bosch nickte. Aber er wusste, dass Maggie nicht die ganze Geschichte kannte. Die kannte außer Madeline und ihm niemand.
    »Tja«, sagte er. »Da gab es einiges, was nicht gerade schön für sie war. Das dürfte der Grund sein. Ich glaube, wenn ich meine Tochter glücklich machen kann, werde auch ich glücklich. Aber ich weiß nicht, wann das sein wird.«
    Er blickte zu ihren Augen auf und sah nur Mitgefühl in ihnen. Er lächelte.
    »Ja, wir sollten sehen, dass sich die zwei Cousinen endlich mal kennenlernen«, sagte er schließlich, um das Thema zu wechseln.
    »Unbedingt«, sagte sie.

11
    Donnerstag, 18. Februar, 13:30 Uhr
    D ie
Los Angeles Times
brachte ein langes Feature über den ersten Tag, den Jason Jessup nach vierundzwanzig Jahren Gefängnis in Freiheit verbrachte. Der Reporter und ein Fotograf trafen sich bei Tagesanbruch am Venice Beach mit dem Achtundvierzigjährigen, der dort nach all den Jahren zum ersten Mal wieder der Lieblingsbeschäftigung seiner Jugendzeit nachging, dem Surfen. Bei den ersten Versuchen stand er noch ziemlich wacklig auf dem geliehenen Longboard, aber er hatte den Dreh rasch wieder heraus. Ein Foto, auf dem Jessup mit weit ausgebreiteten Armen und in den Himmel gerecktem Gesicht auf seinem Surfbrett stand und eine Welle ritt, war der Blickfang der Titelseite der Zeitung. Die Aufnahme zeigte, was zwanzig Jahre Hanteltraining im Knast bewirkten. Jessups Körper war muskelbepackt. Er sah drahtig und gefährlich aus.
    Nach dem Strand fuhren sie zu einem In-N-Out in Westwood, wo Jessup Hamburger und Pommes mit so viel Ketchup aß, wie er wollte. Nach dem Mittagessen hatte Jessup einen Termin in Clive Royce’ Kanzlei, die sich in Downtown befand. Dort nahm er an einer zweistündigen Besprechung mit dem Anwälteteam teil, das ihn straf- und zivilrechtlich vertrat. Von dieser Besprechung war die
Times
ausgeschlossen.
    Den Rest des Nachmittags rundete Jessup mit dem Besuch eines Films mit dem Titel
Shutter Island
im Chinese Theater in Hollywood ab. Er kaufte sich einen Becher Popcorn, der für eine vierköpfige Familie gereicht hätte, und aß jedes aufgeplatzte Maiskorn. Dann kehrte er nach Venice zurück, wo ihm ein Surferkumpel aus Highschool-Zeiten in seiner Wohnung ein Zimmer zur Verfügung gestellt hatte. Der Tag endete mit einem kleinen Grillfest am Strand, organisiert von einer Handvoll Sympathisanten, die von Anfang an unerschütterlich an seine Unschuld geglaubt hatten.
    Ich saß an meinem Schreibtisch und studierte die Farbfotos von Jessup, die zwei Seiten im Innern des ersten Teils einnahmen. Die Zeitung ging bei ihrer Berichterstattung in die Vollen und spekulierte dabei mit Sicherheit auf die journalistischen Meriten, die sie am Ende von Jessups Weg in die endgültige Freiheit erwerben könnte. Einen Unschuldigen aus dem Gefängnis zu befreien war der Knüller schlechthin, und die
Times
versuchte mit allen Mitteln, die Lorbeeren für Jessups Freilassung einzuheimsen.
    Das größte Foto zeigte Jessups unverhohlene Freude über das rote Plastiktablett, das in dem In-N-Out vor ihm auf dem Tisch stand. Auf dem Tablett war ein richtig fetter Double-Double mit Pommes unter einer dicken Ladung Ketchup und geschmolzenem Käse. Die Bildunterschrift lautete:
    Warum lächelt dieser Mann?
12:05 – Jessup isst seit vierundzwanzig Jahren seinen ersten Double-Double. »Davon habe ich die ganze Zeit geträumt!«
    Die anderen Fotos hatten ähnlich unbeschwerte Bildunterschriften: Jessup, wie er mit einem Eimer Popcorn im Kino saß, wie er beim Grillen mit

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