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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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vorbereitet zu sein. Ich würde sie vorwegnehmen. Ich würde sie schon vor Royce kennen. Und ich würde sein wie ein Scharfschütze, der auf einem Baum saß und darauf lauerte, den Gegner aus der Ferne auszuschalten, einen nach dem anderen.
    Dieser Vorsatz führte Maggie McFierce und mich in meinem neuen Büro zu häufigen Strategiebesprechungen zusammen. Und an diesem Nachmittag drehten sich unsere Überlegungen um die Frage, was wohl das Kernstück der Maßnahmen war, die die Verteidigung schon vor Beginn der Hauptverhandlung ergreifen würde. Uns war klar, dass Royce einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens stellen würde. So viel stand bereits fest. Worüber wir uns jedoch Gedanken machten, war, womit er diesen Antrag begründen würde. Ich wollte auf jedes Argument, das er vorbringen könnte, gefasst sein. Im Krieg, heißt es, kann ein Scharfschütze eine feindliche Patrouille am effektivsten ausschalten, wenn er zuerst den Anführer, den Funker und den Sanitäter erschießt. Wenn ihm das gelingt, geraten die restlichen Mitglieder der Patrouille in Panik und zerstreuen sich.
    Und genau das hoffte auch ich möglichst rasch zu erreichen, wenn Royce seinen Antrag einbrachte. Ich wollte schnell und gründlich mit demoralisierenden Argumenten und Fragen kontern, die dem Angeklagten in aller Deutlichkeit klarmachten, was ihm blühte. Wenn es mir gelang, Jessup in Panik zu versetzen, käme es vielleicht gar nicht zu einem Prozess. Vielleicht ließe sich die Sache mit einer Verständigung im Strafverfahren regeln. Mit einem Deal. Und ein Deal war eine Verurteilung und für die Anklage in diesem Fall gleichbedeutend mit einem Sieg.
    »Ich glaube, er wird unter anderem vorbringen, dass die alten Anklagepunkte ohne Vorverhandlung nicht mehr gelten«, sagte Maggie. »Auf diese Weise kann er gleich zweimal vom Apfel abbeißen. Er wird die Richterin auffordern, das Verfahren einzustellen oder, wenn er damit nicht durchkommt, zumindest eine neue Vorverhandlung anzusetzen.«
    »Aber kassiert wurde doch nur das Urteil«, sagte ich. »Es war ein Resultat des Prozesses, und jetzt kommt es zu einem neuen Prozess. Aber die Ergebnisse der Vorverhandlungen wurden nie angefochten.«
    »Genau dieses Argument werden wir vorbringen.«
    »Gut, dann solltest das am besten du übernehmen. Was gibt es sonst noch?«
    »Ich stelle doch hier nicht ständig irgendwelche Ermittlungsansätze in den Raum, nur damit du sie mir zurückwirfst und sagst, darum soll ich mich kümmern. Das ist jetzt schon der dritte, den du mir zuteilst, während du, wenn ich richtig mitgezählt habe, erst einen übernommen hast.«
    »Also gut, dann nehme ich den nächsten, unbesehen. Was hast du noch?«
    Maggie grinste, und ich merkte, dass ich gerade in meine eigene Falle getappt war. Doch bevor sie zuschnappte, ging die Bürotür auf, und Bosch kam herein, ohne anzuklopfen.
    »Vom Gong gerettet«, sagte ich zu Maggie. »Was gibt’s, Harry?«
    »Ich habe einen Zeugen, den ihr euch beide mal anhören solltet. Ich glaube, er wird uns nützen, und er wurde beim ersten Prozess nicht verwertet.«
    »Wer?«, fragte Maggie.
    »Bill Clinton«, sagte Bosch.
    Ich konnte mich nicht erinnern, dass eine der in den Fall verwickelten Personen so geheißen hatte. Aber Maggie mit ihrem erstaunlichen Überblick über die Details des Verfahrens schaltete sofort.
    »Das ist einer der Abschleppwagenfahrer, einer von Jessups Kollegen.«
    Bosch deutete auf sie.
    »Richtig. Er hat damals mit Jessup bei Aardvark Towing gearbeitet. Inzwischen hat er eine Autowerkstatt in der La Brea, nicht weit vom Olympic. Sie nennt sich Presidential Motors.«
    »Wie sollte sie auch anders heißen«, sagte ich. »Was bringt er uns als Zeuge?«
    Bosch deutete auf die Tür.
    »Er sitzt draußen bei Lorna im Vorzimmer. Soll er reinkommen und es euch gleich selbst erzählen?«
    Ich sah Maggie fragend an, und als sie keinen Einspruch erhob, bat ich Bosch, Clinton hereinzuholen. Bevor er nach draußen ging, wies uns Bosch im Flüsterton darauf hin, dass er Clintons Namen in die polizeilichen Datenbanken eingegeben hatte und keine Treffer für ihn erhalten hatte. Er war nicht vorbestraft.
    »Absolut nichts«, sagte Bosch. »Nicht mal ein unbezahlter Strafzettel.«
    »Gut«, sagte Maggie. »Dann hören wir uns am besten mal an, was er zu sagen hat.«
    Bosch ging ins Vorzimmer und kam mit einem kleinen Mann Mitte fünfzig zurück, der eine blaue Arbeitshose und ein Hemd mit einem ovalen Aufnäher über der

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