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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Maggie schilderte mir den Zwischenfall.
    »Sie dachten, sie hätten ihn in einer Fußgängerstraße in Venice aus den Augen verloren. Deshalb hat der Lieutenant einen seiner Männer als Pizzaausfahrer getarnt losgeschickt. Und kurz darauf kam Jessup zwischen zwei Häusern raus. Er hat nur kurz gepinkelt. Es war verdammt knapp.«
    Ich breitete die Hände aus.
    »Na ja, vielleicht hat er doch Verdacht geschöpft und beschlossen, sich Gewissheit zu verschaffen. Wenn du in so einer Situation vor dem Haus des leitenden Ermittlers auftauchst, ist das sicher nicht die schlechteste Möglichkeit, die Hunde aus der Deckung zu locken, wenn sie wirklich hinter dir her sind.«
    »Meinst du, es war so eine Art Test?«, fragte Bosch.
    »Klar, was sonst? Aber es ist doch hoffentlich niemand eingeschritten?«
    »Nein, wir haben ihn in Ruhe gelassen«, sagte Maggie. »Wenn er allerdings ausgestiegen wäre, hätte die Sache wahrscheinlich anders ausgesehen.«
    Ich nickte.
    »Okay, dann war es entweder ein Test, oder er führt etwas anderes im Schild. In letzterem Fall hieße das, er hat sozusagen das Terrain erkundet. Er wollte sehen, wo du lebst.«
    Bosch blieb stehen und schaute aus dem Fenster. Draußen war es inzwischen hell geworden.
    »Was ihr dabei ebenfalls unbedingt berücksichtigen müsst, ist, dass er nichts Verbotenes getan hat«, sagte ich. »Er hat sich auf einer öffentlichen Straße befunden, und er kann sich innerhalb von Los Angeles County frei bewegen. Da sind ihm keinerlei Beschränkungen auferlegt. Egal, was er also vorhatte, ist es gut, dass ihr abgewartet und euch nicht zu erkennen gegeben habt.«
    Bosch blieb mit dem Rücken zu uns am Fenster stehen. Ich wusste nicht, was in ihm vorging.
    »Harry«, fuhr ich fort. »Ich kann deine Bedenken gut verstehen. Aber wir dürfen uns davon nicht aus dem Konzept bringen lassen. In Kürze beginnt der Prozess, und es gibt noch viel für uns zu tun. Wenn wir diesen Kerl verurteilen, wandert er für immer ins Gefängnis, und dann spielt es keine Rolle, ob er weiß, wo du wohnst.«
    »Und was soll ich bis dahin machen? Jede Nacht mit einer Flinte auf der Veranda sitzen und Wache halten?«
    »Die SIS beschattet ihn rund um die Uhr«, warf Maggie ein. »Vertraust du ihnen?«
    Bosch antwortete nicht sofort.
    »Sie werden ihn nicht aus den Augen verlieren«, antwortete er schließlich.
    Maggie sah mich an, und mir entging die Besorgnis in ihrem Blick nicht. Jeder von uns hatte eine Tochter. In so einer Situation war es schwer, sein ganzes Vertrauen in jemand anderen zu setzen, selbst wenn es eine auf Observierungen spezialisierte Eliteeinheit war. Ich dachte kurz über etwas nach, was mir schon seit Beginn unseres Gesprächs durch den Kopf ging.
    »Was hältst du davon, hier einzuziehen, Harry? Mit deiner Tochter. Sie kann Hayleys Zimmer haben, weil Hayley heute sowieso wieder zu Maggie muss. Und du kannst das Arbeitszimmer nehmen. Dort gibt es eine Schlafcouch, auf der ich schon einige Nächte verbracht habe. Man schläft erstaunlich gut darauf.«
    Bosch wandte sich vom Fenster ab und sah mich an.
    »Du meinst, ich soll für die gesamte Dauer des Prozesses hier bleiben?«
    »Wieso nicht? Dann lernen sich unsere Töchter endlich mal kennen, wenn Hayley zu mir kommt.«
    »Ich halte das auch für eine gute Idee«, sagte Maggie.
    Ich wusste nicht, ob sich das darauf bezog, dass unsere Töchter sich kennenlernten oder dass Bosch und Kind bei mir wohnten.
    »Und dazu kommt noch, ich bin jeden Abend hier«, fügte ich hinzu. »Wenn du mal mit der SIS losziehen musst, brauchst du dir wegen deiner Tochter keine Gedanken zu machen, vor allem nicht, wenn Hayley hier ist.«
    Bosch dachte eine Weile über diesen Vorschlag nach, schüttelte aber schließlich den Kopf.
    »Das geht nicht.«
    »Und warum nicht?«, fragte ich.
    »Weil das mein Haus ist. Mein Zuhause. Ich laufe doch vor diesem Typen nicht weg. Wenn, dann läuft er vor mir weg.«
    »Und was ist mit deiner Tochter?«, fragte Maggie.
    »Um meine Tochter kümmere ich mich schon.«
    Aber sie ließ nicht locker. »Harry, überleg es dir doch noch mal. Denk vor allem an deine Tochter. Du möchtest sie doch nicht unnötig in Gefahr bringen.«
    »Jetzt hört aber mal. Wenn Jessup meine Adresse hat, hat er wahrscheinlich auch diese Adresse. Hierher umzuziehen ist keine Lösung. Es ist nur … ich würde vor ihm weglaufen. Vielleicht ist es das, was er austesten will – wie ich reagieren werde. Deshalb werde ich nichts tun. Ich ziehe nicht

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