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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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allen Ernstes dem Antrag der Verteidigung statt, sie mit den Glaspfeifen und sonstigen Utensilien zu konfrontieren, die sie einmal benutzt hatte, um diesem schrecklichen Erlebnis zu entkommen. Das erschien Bosch nicht fair. In seinen Augen hatte das nichts mit Gerechtigkeit zu tun.
    Kurz danach war die Verhandlung beendet, und alle Parteien packten ihre Sachen zusammen und strömten durch die Türen in den Flur hinaus. Bosch blieb im Saal zurück und reihte sich dann unauffällig in die Gruppe direkt hinter Jessup ein. Er sagte zwar nichts, aber Jessup spürte bald, dass jemand hinter ihm war, und drehte sich um.
    Er grinste, als er sah, dass es Bosch war.
    »Ah, Detective Bosch, folgen Sie mir?«
    »Sollte ich das?«
    »Oh, man kann nie wissen. Wie kommen Sie mit Ihren Ermittlungen voran?«
    »Das werden Sie früh genug erfahren.«
    »Ja, ich kann es kaum …«
    »Sprechen Sie nicht mit ihm!«
    Das kam von Royce. Er hatte sich umgedreht und alles mitbekommen.
    »Und
Sie
sprechen auch nicht mit ihm!« Er deutete mit dem Finger auf Bosch. »Wenn Sie ihn weiter belästigen, beschwere ich mich bei der Richterin.«
    Bosch hob in einer »Hab doch gar nichts gemacht«-Geste die Hände.
    »Was haben Sie denn gleich, Counselor? Wir machen hier doch nur ein bisschen Smalltalk.«
    »So etwas gibt es nicht, wenn die Polizei im Spiel ist.«
    Damit legte er Jessup die Hand auf die Schulter und lotste ihn von Bosch fort.
    Draußen auf dem Flur steuerten sie direkt auf das Gedränge von Reportern und Kameras zu, die auf sie warteten. Bosch ging an ihnen vorbei, blickte sich aber rechtzeitig um, um mitzubekommen, wie sich Jessups Gesichtsausdruck veränderte. Seine stechenden Raubtieraugen nahmen den verletzten Blick eines Opfers an.
    Die Reporter scharten sich rasch um ihn.

[home]
    Teil 3
    Im Bemühen um ein wahres und gerechtes Urteil
    25
    Montag, 5. April, 9:00 Uhr
    I ch beobachtete, wie die Geschworenen in den Saal kamen und die ihnen zugeteilten Plätze auf der Geschworenenbank einnahmen. Ich passte genau auf, wie sie den Angeklagten ansahen. Das konnte sehr aufschlussreich sein; ein flüchtiger Blick oder ein durchdringendes ablehnendes Starren.
    Die Auswahl der Geschworenen war nach Plan verlaufen. Wir hatten das erste Kontingent von neunzig Kandidaten an einem einzigen Tag durchbekommen, aber am Ende nur elf Geschworene ausgewählt, weil wir die meisten wegen der Kenntnisse, die sie aus den Medien über den Fall hatten, aussortieren mussten. Die Auswahl war auch beim zweiten Kontingent nicht einfacher, und wir hatten erst Freitagabend 17:40 Uhr alle achtzehn beisammen.
    Ich hatte die Geschworenenliste vor mir liegen, und mein Blick sprang zwischen den Gesichtern auf der Geschworenenbank und den Namen auf meinen Haftnotizen hin und her, während ich mir einzuprägen versuchte, wer wer war. Die meisten konnte ich mir bereits ganz gut merken, aber ich wollte, dass ich ihre Namen wie im Schlaf beherrschte. Ich wollte in der Lage sein, mich so selbstverständlich an sie zu richten wie an gute Bekannte oder Nachbarn.
    Die Richterin fand sich Punkt neun Uhr auf der Bank ein. Zuerst fragte sie die Anwälte, ob es irgendwelche neuen oder unerledigten Punkte zu klären gebe. Da dem nicht so war, wandte sie sich den Geschworenen zu.
    »Dann wären wir alle hier«, verkündete sie. »Ich möchte allen Geschworenen und sonstigen Beteiligten für ihr pünktliches Erscheinen danken. Wir eröffnen die Hauptverhandlung mit den Plädoyers der Anwälte. Diese Ausführungen haben keinerlei Beweischarakter, sondern sind lediglich …«
    Die Richterin hielt inne und blickte zur hinteren Reihe der Geschworenenbank. Eine Frau hatte schüchtern die Hand gehoben. Die Richterin sah sie relativ lange an und zog schließlich ihre Geschworenenliste zu Rate, bevor sie sagte:
    »Ms. Tucci? Haben Sie eine Frage?«
    Ich sah auf meine Liste. Nummer zehn, Carla Tucci. Sie war eine der Geschworenen, die ich mir noch nicht eingeprägt hatte. Eine unscheinbare Brünette aus East Hollywood. Sie war zweiunddreißig Jahre alt, unverheiratet und arbeitete am Empfang einer Klinik. Meiner farbkodierten Liste zufolge hatte ich sie als eine Geschworene eingestuft, die sich möglicherweise von stärkeren Persönlichkeiten der Jury umstimmen ließe. Das war nicht unbedingt ein Nachteil. Es hing nur davon ab, ob diese Persönlichkeiten für einen Schuldspruch waren oder dagegen.
    »Ich glaube, ich habe etwas gesehen, was ich nicht sehen sollte«, sagte sie in

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