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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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damit einer dieser brav-biederen Ersatzleute ihren Platz auf der Geschworenenbank einnehmen kann.«
    Ich schüttelte lächelnd den Kopf. »Auf eine derartige Unterstellung will ich erst gar nicht eingehen. Wenn Sie die Geschworene behalten wollen, meinetwegen.«
    »Darüber haben aber nicht die Anwälte zu befinden«, erklärte die Richterin.
    Sie öffnete die Tür und bat die Geschworene wieder herein.
    »Ms. Tucci, danke für Ihre Aufrichtigkeit. Sie können ins Geschworenenzimmer gehen und Ihre Sachen packen. Sie sind entlassen. Ich muss Sie deshalb bitten, in den Warteraum für die Geschworenen zu gehen und dort Bescheid zu sagen.«
    Tucci schien unschlüssig.
    »Heißt das …«
    »Ja, leider sind Sie entlassen. Aufgrund dieser Schlagzeile haben Sie Kenntnisse über den Fall, die Sie nicht haben dürften. Das Wissen, dass Mr. Jessup wegen dieser Taten schon einmal vor Gericht gestellt wurde, macht Sie befangen. Deshalb kann ich Sie als Geschworene nicht mehr behalten. Sie können jetzt gehen.«
    »Das tut mir leid, Euer Ehren.«
    »Ja, mir auch.«
    Tucci verließ das Richterzimmer mit hängenden Schultern und dem stockenden Gang eines Menschen, der eines Verbrechens beschuldigt wurde. Nachdem sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, sah die Richterin uns an.
    »Wenn sonst schon nichts, wird das den anderen Geschworenen eine Lehre sein. Wir haben inzwischen nur noch fünf Ersatzleute und haben noch nicht einmal angefangen. Allerdings ist inzwischen noch deutlicher geworden, wie sehr die Medien unseren Prozess beeinflussen können. Ich habe diesen Artikel nicht gelesen, werde das aber nachholen. Und wenn ich irgendeinen der hier Anwesenden darin zitiert finde, werde ich sehr enttäuscht sein. Diejenigen, die mich enttäuschen, haben in der Regel mit Konsequenzen zu rechnen.«
    »Euer Ehren«, meldete sich Royce zu Wort. »Ich habe den Artikel heute Morgen gelesen, und keiner der hier Anwesenden wird darin namentlich zitiert. Allerdings wird als Quelle eine der Anklage nahestehende Person genannt. Das ist, worauf ich Sie eigentlich hinweisen wollte.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Das ist ja wohl der faulste Strafverteidigertrick überhaupt. Jeder kennt diese Absprachen mit einem Reporter. Eine der Anklage nahestehende Quelle? Mr. Royce sitzt einen Meter von mir entfernt auf der anderen Seite des Gangs. Damit war er mir für den Reporter wahrscheinlich nahe genug.«
    »Euer Ehren!«, protestierte Royce. »Ich habe nichts …«
    »Damit halten wir nur die Verhandlung auf«, schnitt ihm Breitman das Wort ab. »Gehen wir in den Saal zurück.«
    Wir defilierten aus dem Richterzimmer. Bei der Rückkehr in den Saal ließ ich den Blick durch den Zuschauerbereich wandern und entdeckte Salters, die Reporterin, in der zweiten Reihe. In der Hoffnung, der kurze Blickkontakt hätte nichts verraten, sah ich rasch wieder weg. Ihre Quelle war ich gewesen. Ich hatte damit die Absicht verfolgt, dem Artikel – dem
Weichensteller,
wie ihn die Reporterin genannt hatte – eine Grundrichtung zu geben, die die Verteidigung in falscher Sicherheit wiegen würde. Ich hatte nicht vorgehabt, damit die Zusammensetzung der Jury zu verändern.
    Zurück auf der Bank, notierte sich die Richterin etwas auf einem Block, bevor sie sich den Geschworenen zuwandte und sie davor warnte, Zeitung zu lesen oder im Fernsehen Nachrichtensendungen zu schauen. Dann richtete sie sich an die Protokollführerin.
    »Audrey, die Bonbonschale bitte.«
    Daraufhin nahm die Protokollführerin eine Schale mit einzeln eingepackten Bonbons von der Theke vor ihrem Schreibtisch, kippte die Süßigkeiten in eine Schublade und brachte die Schale zur Richterbank. Die Richterin rupfte ein Blatt von ihrem Notizblock, riss es in sechs Teile und beschriftete jeden dieser Zettel.
    »Ich habe die Ziffern eins bis sechs auf diese Papierstückchen geschrieben und werde jetzt einen Ersatzgeschworenen auslosen, der den Platz von Nummer zehn einnehmen wird.«
    Sie faltete die Zettel und warf sie in die Schale. Dann schwenkte sie die Schale im Kreis und hob sie mit einer Hand über ihren Kopf. Mit der anderen nahm sie einen Zettel heraus, entfaltete ihn und las die Zahl darauf laut ab.
    »Ersatzgeschworener Nummer sechs. Würden Sie sich bitte mit den persönlichen Dingen, die Sie dabeihaben, auf Platz zehn der Geschworenenbank setzen. Danke.«
    Mir blieb nichts anderes, als dazusitzen und dumm zu schauen. Der neue Geschworene Nummer zehn war ein sechsunddreißigjähriger Film- und

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