Harry Dresden 08 - Schuldig
Forthill.
„Ich muss ihn mir genauer ansehen, um sicherzugehen, aber es ist sehr wahrscheinlich. Der Junge wird es für einige Zeit ganz schön schwer haben“, sagte ich. „Es ist wie ein emotionales Trauma. Als ob jemand gestorben wäre. Es reißt Leute von innen heraus in Stücke. Davon erholt man sich nicht so schnell.“
„Ich habe so etwas schon einmal gesehen“, sagte Forthill. „Ich habe es noch nicht zur Sprache gebracht, aber ich denke, Sie sollten wissen, dass mir Nelson heute am frühen Abend einen Besuch abgestattet hat.“
Ich nickte zu dem Feldbett, das besetzt gewesen war, als wir gekommen waren. „Ist er das?“
„Ja.“
„Welchen Eindruck hat er auf Sie gemacht?“, fragte ich.
Forthill schürzte die Lippen. „Wenn ich nicht gewusst hätte, dass Sie ihn geschickt haben, hätte ich gedacht, er hätte irgendwelche Drogen nicht vertragen. Hat kaum einen zusammenhängenden Satz herausgebracht. War sehr aufgeregt und derart verängstigt, dass er mit mir nicht darüber sprechen konnte oder wollte. Ich konnte ihn etwas beruhigen, und dann fiel er einfach in Ohnmacht.“
Ich runzelte die Stirn und fuhr mir mit den Fingern der rechten Hand durchs Haar. „Hatten Sie das Gefühl, dass jemand ihn verfolgt?“
„Nicht im Mindesten. Aber gut möglich, dass mir etwas entgangen ist.“ Er brachte ein müdes Lächeln zu Stande. „Es ist spät, und ich bin nicht mehr so fit, wie ich mal war, zumindest nicht nach zweiundzwanzig Uhr oder so.“
„Danke, dass Sie ihm geholfen haben“, sagte ich.
„Ist doch selbstverständlich. Wer ist er?“
„Mollys Freund“, antwortete ich. Ich blickte durch den Raum zu Charity, die ihren Sohn festhielt, hinüber. „Vielleicht ist es besser, wenn Charity das nicht erfährt.“
Er blinzelte und seufzte. „Meine Güte.“
„Hehe. Ja“, sagte ich.
„Darf ich Ihnen eine Frage stellen?“, fragte er.
„Sicher.“
„Diese Wesen, diese Furchtfresser. Wenn sie das sind, was Sie behaupten, nämlich Wesen aus der Geisterwelt, wie haben sie es dann geschafft, die Schwelle des Hauses zu überwinden?“
„Wahrscheinlich auf die traditionelle Weise“, antwortete ich. „Jemand hat sie eingeladen.“
„Aber wer?“
„Wahrscheinlich Molly“, tippte ich.
Er runzelte die Stirn. „Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass sie so etwas tun würde.“
Ich fühlte, wie sich mir die Kehle zuschnürte. „Sie hat sicher nicht gewusst, dass es sich um Ungeheuer handelte. Es sind Gestaltwandler. Sie sind höchstwahrscheinlich als jemand, den sie kannte, aufgetaucht, da sie wussten, dass sie sie dann einladen würde.“
Forthill antwortete: „Ah. Jetzt wird es mir klar. Jemand wie Sie vielleicht?“
„Möglich“, sagte ich leise. „Das ist schon das zweite Mal, dass jemand mein Gesicht missbraucht, um an Michaels Familie heranzukommen.“
Forthill schwieg für einige Zeit. Dann meinte er: „Mir ist Folgendes aufgefallen. Bei Ihren bisherigen Begegnungen scheinen diese Wesen immer völlig wahllos gemordet zu haben. Warum sollten sie Molly verschleppen, anstatt sie einfach umzubringen?“
„Das weiß ich nicht“, gab ich zu. „Ich weiß auch nicht, wie es mein Zauber geschafft hat, sie zu Molly zu führen. Ich bin auch nicht völlig sicher, worum es sich bei diesen Kreaturen in Wahrheit handelt oder woher sie stammen. Das wiederum bedeutet, dass ich nicht herausbekomme, warum sie hier aufgetaucht sind und wohin sie das Mädchen entführt haben.“ Frustriert wedelte ich mit der Hand. „Es treibt mich in den Wahnsinn. Ich habe Tonnen von Fakten zur Verfügung, doch sie passen irgendwie nicht zusammen.“
„Sie sind müde“, sagte Forthill. „ Vielleicht kann etwas Ruhe …“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, Vater. Die Wesen, die sie entführt haben, werden auch nicht ruhen. Je länger sie sich in deren Klauen befindet, desto unwahrscheinlicher ist es, dass wir sie je wiedersehen.“ Ich rieb mir die Augen. „Ich muss das Ganze nochmal von Anfang an durchdenken.“
Forthill nickte und stand auf. Auf der anderen Seite des Raumes deckte Charity Daniel zu. Selbst Alicia hatte sich ihrer Müdigkeit ergeben, und so waren nur noch wir Erwachsenen wach. „Dann werde ich Sie mal Ihren Gedanken überlassen. Haben Sie in letzter Zeit etwas gegessen?“
„Das letzte Mal im Mesozoikum.“
„Belegte Brote?“
Mein Magen gab ein gurgelndes Knurren von sich. „Wenn Sie darauf bestehen.“
„Ich werde mich darum kümmern“, lachte Forthill. „Wenn
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