Harry Dresden 08 - Schuldig
Angebot steht, sollten Sie darüber reden wollen. Manchmal ist der einzige Weg, mit einer großen Last fertig zu werden, sie mit anderen zu teilen. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.“
Entscheidungen.
Manchmal beschlich mich der Verdacht, es wäre echt großartig, keine Entscheidungen mehr zu treffen. Wenn ich mich nie entscheiden müsste, könnte ich auch keinen Mist mehr bauen.
„Es gibt Dinge, die ich nicht mit einem Priester teilen möchte“, ließ ich ihn wissen, auch wenn ich eher laut dachte als tatsächlich mit ihm zu sprechen.
Er nickte. Dann nahm er den Priesterkragen ab und legte ihn zur Seite. Er lehnte sich auf der Kirchenbank zurück und griff in seine Jacke, um einen schmalen, silbernen Flachmann hervorzuzaubern. Er öffnete ihn, nippte daran und bot ihn dann mir an. „Dann teilen Sie sie mit Ihrem Barkeeper.“
Das entlockte mir ein schwaches, schnaubendes Gelächter. Ich schüttelte den Kopf, nahm den Flachmann und genehmigte mir einen Schluck. Ein vortrefflicher, vollmundiger Scotch. Ich nippte noch einmal und erzählte ihm, was auf der Convention geschehen war und wie der Strudel der Ereignisse schließlich das Haus der Carpenters erfasst hatte. Er hörte aufmerksam zu. Ich beendete meinen Bericht mit den Worten: „Ich habe diese Dinge geradewegs zu ihrer Haustüre geleitet. Ich wollte das nicht.“
„Natürlich nicht“, antwortete er.
„Aber deswegen fühle ich mich nicht besser.“
„Sollten Sie auch nicht“, sagte er. „Aber es sollte Ihnen klar sein, dass Sie ein mächtiger Mann sind.“
„Wie das?“
„Macht“, sagte er und vollführte eine allumfassende Geste. „Macht ist immer gleich. Zauberei. Körperliche Stärke. Ökonomische und politische Macht. Sie alle haben einen einzigen Zweck – ihrem Besitzer ein breiteres Spektrum an Entscheidungsmöglichkeiten zu verschaffen. Macht bietet Ihnen zusätzliche Handlungsalternativen.“
„Das mag sein“, sagte ich. „Na und?“
„Folglich“, sagte er, „stehen Ihnen mehr Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung, was wieder ein höheres Risiko bedeutet, Fehler zu machen. Sie sind nur ein Mensch. Hier und da werden Sie etwas in den Sand setzen.“
„Das macht mir nichts aus“, sagte ich. „Wenn ich der Einzige bin, der dafür bezahlen muss.“
„Aber das liegt nicht in Ihrer Gewalt“, gab er zu bedenken. „Sie können nicht vorhersehen, wie sich Dinge entwickeln. Sie hätten nicht ahnen können, dass sich diese Dinger zum Haus der Carpenters aufmachen.“
Ich knirschte mit den Zähnen. „Na und? Daniel ist dennoch verletzt. Denkbar, dass Molly tot ist.“
„Aber es lag nicht an Ihnen, das vorauszubestimmen“, sagte Forthill. „Jede Macht hat Grenzen.“
„Welchen Sinn hat dann das alles?“, knurrte ich mit einem Mal sehr frustriert. Meine Stimme hallte mit einem kratzigen Echo von den Wänden des Kirchenraumes wider. „Welchen Sinn hat Macht, wenn ich dadurch die Familie eines Freundes töten, sie aber nicht schützen kann? Was zur Hölle erwarten Sie von mir? Ich muss nun mal diese blöden Entscheidungen treffen. Wie zum Geier soll ich damit umgehen?“
„Manchmal“, erwiderte er, „muss man einfach auf den Glauben vertrauen.“
Ich lachte laut und bitter. Spöttische Echos geisterten durch den riesengroßen Raum. „Glaube“, sagte ich. „An was?“
„Dass sich alles entwickelt, wie es sich entwickeln soll“, entgegnete Forthill. „Dass sich selbst im Angesicht unmittelbarer Grässlichkeiten das Gesamtbild umso schöner entfalten wird.“
„Zeigen Sie es mir“, knurrte ich. „Zeigen Sie mir eine einzige schöne Seite an dieser Sache. Zeigen Sie mir den beschissenen Silberstreif am Horizont.“
Er schürzte die Lippen und überlegte. Dann meinte er: „Es gibt ein Zitat unseres Ordensgründers: ‚Es liegt etwas Heiliges, etwas Göttliches, in den alltäglichsten Situationen, aber es liegt an einem selbst, es zu entdecken.‘“
„Was soll das denn schon wieder heißen?“, frage ich.
„Dass das Gute oft nicht offensichtlich ist. Nicht einmal leicht zu erfassen. Auch nicht an dem Ort wartet, an dem wir es eigentlich zu finden erwarten. Sie sollten vielleicht mal bedenken, dass das Gute, das aus den Ereignissen dieser Nacht entspringt, nichts damit zu tun hat, ein übernatürliches Böses zu besiegen oder Leben zu retten. Es könnte auch etwas nicht so Auffälliges sein. Etwas völlig Gewöhnliches.“
Ich sah ihn mit gerunzelter Stirn an. „Zum Beispiel?“
Er trank den
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