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Harry Dresden 08 - Schuldig

Harry Dresden 08 - Schuldig

Titel: Harry Dresden 08 - Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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stolperte ich über die ersten Knochen. Sie lagen zerschmettert und völlig ungeordnet im Schnee und waren zu einer Art makabrem, eisigen Eschergemälde erstarrt. Die Knochen erinnerten vage an die von Menschen, doch ich konnte mir nicht sicher sein, da sie an manchen Stellen zu Staub zermahlen waren, während andere wie Wachs zerschmolzen zu sein schienen. Diesem ersten, grauenhaften Vorgeschmack sollten weitere folgen. Als ich mich vorwärtspirschte, knirschten spröde, gefrorene Knochen unter meine Stiefeln, die den Boden immer dichter bedeckten und immer grausamer deformiert waren, je näher wir Arctis Tor kamen. Als wir das Tor erreichten, stapfte ich bis weit über die Knöchel durch vereiste sterbliche Überreste. Das Tor bildete sozusagen eine Nabe, von der sie sich wie ein gigantisches Rad in alle Richtungen ausbreiteten. Wer auch immer das gewesen war, es mussten Tausende hier ihr Ende gefunden haben.
    Charity hatte mit ihrer Vermutung über ein Fallgitter den Nagel auf den Kopf getroffen. Trümmer des Gitters lagen überall verstreut in den Knochen. Wo das Tor in der hohen Mauer gähnte, fanden wir hüfthoch weitere Knochen und zerborstene, schwarze Eisplatten vor, die Überreste des Festungstores, die in seltsamen Winkeln aus dem Chaos hervorragten. Die Mauern Arctis Tors waren offensichtlich mit einer Art Säure angegriffen worden. Gigantische Krater übersäten hier und da die gewaltigen Wälle, doch die Anlage war derart gigantisch, dass sie wenig mehr waren als vereinzelte Pockennarben.
    Ich kämpfte mich zum Tor vor, indem ich wie ein Eisbrecher durch die Knochen pflügte. Dort angekommen konnte ich noch Spuren eines Geruchs wahrnehmen, der mir vertraut schien. Ich beugte mich näher an den nächstgelegenen Krater heran und schnüffelte.
    „Was ist das?“, fragte mich Thomas.
    „Schwefel“, antwortete ich kurz angebunden. „Schwefel.“
    „Was hat das zu bedeuten?“, fragte er.
    „Das kann ich unmöglich sagen“, log ich halb. Doch meine Intuition war verdammt sicher, was hier geschehen war. Jemand hatte die Wälle Arctis Tors mit Höllenfeuer attackiert, was wiederum bedeutete, dass die Mächte der Hölle oder ihre Diener ebenfalls die Finger im Spiel hatten.
    Ich war dem Ganzen nicht gewachsen. Nie und nimmer.
    Ich bläute mir ein, dass das auch keinen Unterschied machte. Eine junge Frau befand sich in diesem gefrorenen Knochenacker, und sie würde mit Sicherheit umkommen, wenn ich sie nicht aus den Fängen dieses Alptraumes stibitzte. Wenn ich meine Angst nicht umgehend wieder unter Kontrolle brachte, standen die Chancen nicht schlecht, dass sie ihre Häscher vor unserer Ankunft warnen würde. Also kämpfte ich die Angst nieder, die mich fast dazu brachte, mich zu übergeben oder etwas ähnlich Peinliches und möglicherweise Tödliches zu tun.
    Ich bereitete meinen Schild vor, umklammerte fest meinen Stab, biss die Zähne zusammen und plagte mich weiter durch die Knochen in das gespenstische Zwielicht des gefährlichsten Ortes voran, an dem ich je gewesen war.

37. Kapitel
    D ie schwarzen Eismauern Arctis Tors waren zwanzig Meter dick, und durch das Tor zu schreiten fühlte sich an, als marschiere ich durch einen Eisenbahntunnel.
    Mit Ausnahme der Knochen.
    Jeder Atemzug, jeder Schritt, jedes Knirschen der Knochen, die aneinander scheuerten, vervielfachte sich zu Tausenden von Echos, die immer lauter zu werden schienen, anstatt zu ersterben. Je weiter ich kam, desto höher türmten sich die Gebeine auf, was mich zwang, so gut wie möglich über sie hinwegzuklettern. Es war schwierig, Halt für meine Schritte zu finden. Die tiefgrünen, violetten, manchmal roten und grünen Lichtimpulse, die durch die schwarzen Mauern zuckten, halfen nicht im Mindesten, den Weg zu erleuchten. In ihrem Schimmer wanden sich zuckende Schatten, wodurch meine Tiefenwahrnehmung ordentlich aus dem Gleichgewicht kam. Langsam wurde mir schlecht.
    Wenn einer der Traumdiebe am anderen Ende des Tunnels erscheinen und sich auf mich stürzen sollte, würde das Ganze hässlich enden, vor allem wenn ich bedachte, wie nutzlos sich meine Magie gegen sie erwiesen hatte und wie sehr die Knochen mein Vorankommen behinderten. Das war ein verdammt gruseliger Gedanke, und ich musste mich bewusst davon abhalten, einfach aus bloßer Furcht hastig vorwärtszustürmen. Ich schritt weiter gleichmäßig aus, unterdrückte meine Angst und weigerte mich, mich von ihr beherrschen zu lassen.
    Ich schirmte meine Gedanken jetzt bereits seit

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