Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harry Dresden 08 - Schuldig

Harry Dresden 08 - Schuldig

Titel: Harry Dresden 08 - Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
schwang mich in die Luft und prallte mit beiden Beinen gegen den Rücken der Kreatur. Ich traf sie mit ganz schöner Wucht, doch ich war bereits zu müde, um sie dort zu erwischen, wo ich es eigentlich vorgehabt hatte. Das brachte das Wesen immerhin ins Wanken, und ich prallte wie ein Gummiball ab und schlitterte über die eisige Oberfläche der Turmkrone.
    Allerdings hatte ich Charity genügend Zeit erkauft, wieder auf die Beine zu kommen und sich ihrerseits mit ihrem Schwert auf die Vogelscheuche zu stürzen, was deren Aufmerksamkeit von Molly ablenkte.
    Ehe ich auch auf die Beine kommen konnte, erwischte mich das Biest mit einem ungeschickten Tritt, da es sein Gleichgewicht noch nicht wiedererlangt hatte. So traf es mich nur mit einem Bruchteil der Wucht, die mir sonst hätte blühen können. Dennoch krachte ich über drei Meter entfernt zu Boden, und es fühlte sich an, als hätte ich mir eine Rippe angeknackst. Schmerz flutete durch meinen Körper, und irgendwie konnte ich meine Lungen nicht dazu bewegen, genügend Sauerstoff einzusaugen.
    Die Vogelscheuche streckte einen Arm nach Charity aus, und seilartige Ranken schossen daraus hervor, die wie ein Blitz die drei Meter Entfernung zwischen den beiden überbrückten und sich um das Handgelenk ihres Schwertarmes wickelten. Die Ranken zogen sich zusammen. Die Vogelscheuche schüttelte Charity mit aller Macht. Sie schrie, und das Schwert glitt ihr aus den Fingern. Weitere Luftwurzeln wanden sich um ihren Hals, und mit Leichtigkeit hob sie die Kreatur vom Boden in die Luft. Die Wunden der Vogelscheuche schlossen sich schon wieder. Sie ergriff Molly mit der anderen Hand und hob auch sie hoch. Schließlich hielt sie beide Frauen von Angesicht zu Angesicht gegenüber. In der Haltung des Geschöpfs konnte ich bösartiges Frohlocken erkennen.
    „Sieh nur“, flüsterte die Kreatur der sich erfolglos wehrenden Charity zu. „Sieh sie an. Sieh, wie deine Tochter stirbt.“
    Charitys Augen weiteten sich vor Angst. Ihr Gesicht lief dunkelrot an. Im Gegenzug verharrte Molly reglos, auch wenn ihr Gesicht sich ebenfalls verfärbte, als die Vogelscheuche sie langsam erwürgte.
    „Es dauert nicht mehr lange“, brummte die Vogelscheuche. „Du kannst ihr in keiner Weise helfen, sterbliche Frau. Du kannst nichts tun, um mich aufzuhalten.“
    Sie war also doch ein Traumdieb, dessen war ich mir sicher, ein Wesen, dem genügend Macht oder Talent verliehen worden war, sich über sein früheres Ich zu erheben und die Ikone der Angst, die den Sterblichen als die Vogelscheuche bekannt war, zu verkörpern und daraus Kraft zu schöpfen – Kraft genug, um meine stärkste Magie zunichte zu machen. Aus diesem Grund quälte sie auch Molly und ihre Mutter – um sich an ihrer Furcht zu laben.
    Ich starrte den Traumdieb nur ohne Empfindung an, während mein Hirn fröhlich die Logikkette entlangraste und meine Lungen ihr Bestes gaben, tief einzuatmen. Ich fühlte in mich hinein, um noch irgendwo einen letzten Rest Energie zu finden, um etwas, irgendetwas zu tun, um zu helfen.
    In meinem Innersten fand ich nichts.
    Ich lag auf der Seite, viel zu fertig, um noch Furcht empfinden zu können, viel zu erschöpft, um noch Hass empfinden zu können viel zu erschöpft, um noch Zorn empfinden zu können. Das einzige, was ich noch zustandebrachte, war, mich daran zu hindern, meinen Kopf auf den Boden zu legen und einzuschlafen. Ich hatte weder den Willen noch irgendwelche Gefühle in mir, um einen Zauber mit Energie zu versorgen. Fast kam ich mir vor wie eine gefrorene Eisskulptur in Mabs Kerkergarten.
    Charity schlug verzweifelt mit den Fersen aus, doch das brachte überhaupt nichts. Die Vogelscheuche brummte weiter, und ich bildete mir ein zu sehen, wie das verdammte Ding noch einige Zentimeter weiter wuchs. Lilys flammender Schmetterling flatterte um meinen Kopf und versperrte mir für einen Moment die Sicht.
    Da schoss es mir plötzlich durch den Kopf. Wie im Schneckentempo begann sich in mir Hoffnung zu regen.
    Der Traumdieb zog seine Kraft aus Angst.
    Ich hatte keine. Ich war einfach zu müde dazu.
    Aus diesem Grund hatte ich auch den Traumdieb im Hotel derart übel vermöbeln können. Keine zwei Minuten, ehe ich ihm gegenübergetreten war, hatte ich meine gesamte Furcht gebündelt und mit dem Lockspruch aus mir hinausgeschleudert. Als ich dem Ding dann auf dem Hotelflur begegnet war, war ich einfach nur stinkwütend gewesen. Ohne Angst, derer er sich bedienen konnte, hatte der Traumdieb auch

Weitere Kostenlose Bücher