Harry Dresden 08 - Schuldig
flüsterte ich zu Fix. „Ich habe doch überhaupt nicht gewusst, wohin ich mich begebe, bis ich dort war, und der einzige Kampf, der uns dort noch erwartet hat, war gegen all diese Traumdiebe.“
„Hmmm“, wisperte Fix zurück, „und dennoch ist kein einziges Wort, das sie sagt, unwahr.“
Ich schnaubte.
„Um es kurz zu fassen, geschätzter Merlin“, fuhr Lily fort, „und geehrte Mitglieder des Rates: Hätte Dresden nicht das Versteck Königin Mabs persönlich, die mächtigste Festung im Reich des Winters, angegriffen, hätte Dresden nicht die Tore Arctis Tors selbst gestürmt, wäre die Schlacht mit Sicherheit verloren gewesen.“
Grabesstille senkte sich über den Raum.
Langsam sah sie sich im Kreis um, und die Stille unterstrich ihre Worte noch eindrucksvoller, als es jede noch so flammende Rede getan hätte. „Aus eben diesem Grunde“, sagte sie nach einem Augenblick, „verleiht meine Königin Wächter Dresden die Würde eines Freundes und Junkers des Sommerhofes.“ Sie drehte sich zu mir um, heftete mir nun meinerseits ein silbernes Eichenblatt über meinem Herzen auf die Brust und legte ihre Hand darüber. Sie sah zu mir auf und schmunzelte. „Auch du darfst uns einmal um Hilfe bitten. Gut gemacht.“
Dann erhob sie sich auf Zehenspitzen und hauchte mir einen Kuss auf die Wange, ehe sie sich wieder dem Merlin zuwandte. „Meine Königin wünscht, dass Ihr wisst, verehrter Merlin, dass sie dem Rat gegen die Bedrohung durch den Roten Hof nur zu gerne beistehen würde, doch die Armeen des Winters haben ihre ursprünglichen Positionen wieder eingenommen, und erneut müssen die Streitmächte des Sommers an unseren Grenzen Wacht halten. Bis sich diese Lage ändert, mahnt sie Euch, dass der Sommer seinen Verbündeten nur begrenzte Hilfe wird leisten können.“
Der Merlin starrte mich einen Atemzug lang so böse an, dass ich schon fürchtete, er habe Lilys Warnung überhört. Dann blinzelte er und schüttelte sich unmerklich. „Selbstverständlich, Majestät“, erwiderte er. „Bitte überbringt Eurer Königin den Dank des Weißen Rates und versichert ihr, dass ihre Freundschaft auch in so verzweifelten Zeiten nie vergessen sein wird.“
Erneut neigte sie ihr Haupt. „Das werde ich tun, und somit sind meine Pflichten hier erfüllt.“ Sie trat zurück und stellte sich wieder neben Fix.
„Warum“, murmelte ich in meinen nicht vorhandenen Bart, „werde ich nur das Gefühl nicht los, dass die Sache nicht so einfach sein kann, wie es den Anschein hat, wenn Titania mir einen Orden verleiht?“
„Weil du einen Falken von einer Laubsäge unterscheiden kannst, wenn der Wind aus dem Süden weht“, murmelte Lily als Erwiderung. „Aber es wird dir heute nützen.“ Sie schenkte mir ein Lächeln. „Du hast doch nicht ernsthaft erwartet, dass eine Königin des Sommers einfach nur tut, was du von ihr erwartest?“
Ich grummelte in mich hinein, während sich der Merlin kurz zu Morgan herumdrehte, um sich leise mit diesem zu beraten. Um uns wurde das Gemurmel und Geflüster der Magier lauter, die die Gelegenheit nutzten, Gerüchte und Theorien auszutauschen.
Ich suchte Mollys kalte, zitternde Hand mit meiner eigenen und drückte sie beruhigend.
„Was ist geschehen?“, fragte mich das Mädchen.
„Lily hat mich zu einem Helden hochstilisiert“, entgegnete ich. „Das schien alle ein wenig auf dem falschen Fuß zu erwischen.“
„Kann ich das Ding schon abnehmen?“, fragte Molly.
„Noch nicht“, ermahnte ich sie.
„Harry“, sagte Ramirez, der zu mir trat. „Sie sollte nicht sprechen.“
„Klar“, flüsterte ich ihm zu. Dann senkte ich meine Stimme noch weiter und wisperte Molly zu: „Halt jetzt kurz den Schnabel, Kleines. Versuch, dir keine allzu großen Sorgen zu machen. Im Augenblick steht es eigentlich ganz gut.“
Was der Wahrheit entsprach. Ich hatte es geschafft, nicht wie ein kompletter Analphabetentrottel dazustehen, und Lilys spontane Ordensverleihungszeremonie hatte mir ziemlich Rückenwind verschafft, da sie mich mit dem fähigsten Kämpfer des Rates auf eine Stufe gestellt hatte. Ich wusste, dass Molly noch nicht aus dem Schneider war, doch ich hatte eine solide Basis, auf der ich ihre Verteidigung aufbauen konnte. Alles hing nun von meiner Glaubwürdigkeit ab, und ich hatte mein Bestes gegeben, mich vor dem Rat im richtigen Licht zu präsentieren.
Der Merlin spielte dieses Spiel allerdings auch schon eine ganze Weile und ahnte, was ich vorhatte. Er schien darüber
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