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Harry Dresden 08 - Schuldig

Harry Dresden 08 - Schuldig

Titel: Harry Dresden 08 - Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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jüngeren Magiergeneration. Oder, was noch wahrscheinlicher war, er tat beides. Das war eher der Stil des Merlins.
    Der Merlin wandte seine Aufmerksamkeit wieder mir zu. „Um das hier fortzusetzen. Wächter Dresden, haben sie bei der Gefangenen den Seelenblick durchgeführt?“
    „Das habe ich“, sagte ich.
    „Sind Sie von ihrer Schuld überzeugt?“
    Ich schluckte. „Ja“, sagte ich. „Aber ich bin auch überzeugt, dass ihre Taten nicht jener Bösartigkeit entspringen, die einen wahren Hexer auszeichnet.“
    „Ich danke Ihnen für Ihre Meinung, Wächter Dresden.“ Seine Stimme wurde auf fast schon grillenhafte Art dreist. „Ohne Zweifel entspringt diese nun wiederum Ihrer weitreichenden Erfahrung.“
    „Ich bitte um Vergebung. Aber wenn es darum geht, dass der Rat überheblich und arrogant über einen jungen Magier zu Gericht sitzt, der einen ehrlichen Fehler begangen hat, denke ich tatsächlich, dass ich über mehr Erfahrung verfüge als sonst jemand in diesem Raum.“
    Der Kopf des Merlins zuckte zurück, als hätte ich ihn geschlagen. Ich war nicht so subtil und diszipliniert wie er, wenn es darum ging, jemandem Beleidigungen an den Kopf zu werfen, aber wenn er sich schon darauf einließ, sah ich keinen Grund, das Feuer nicht zu erwidern. Also blieb ich in Fahrt, ehe er sich vollständig erholen konnte. Ich trat einen Schritt vor und wandte mich an den Raum.
    „Magier. Freunde. Brüder und Schwestern im Kampfe. Sie wissen, warum das hier geschieht. Ihnen ist bewusst, wie ausgedünnt unsere Ressourcen im Moment sind. In den letzten drei Jahren hat der Rat über mehr Hexenmeister zu Gericht gesessen und hat diese verurteilt als in den letzten zwanzig Jahren. Kindern, die in Kulturen heranwachsen, in denen man nicht mehr an Magie glaubt, fallen plötzlich Kräfte in den Schoß, die sie sich in den kühnsten Träumen nicht vorstellen und schon gar nicht kontrollieren können. Ihnen fehlt jede Unterstützung. Sie sind unausgebildet. Niemand warnt sie vor den Konsequenzen oder Gefahren, die ihre Taten nach sich ziehen.“
    Ich griff nach unten und riss Molly die beschissene, schwarze Kapuze vom Kopf, und das Mädchen blinzelte überrascht ins unerwartete Licht. Tränen hatten ihre Schminke in verschmierte Rinnsale verwandelt, die sich ihre Wangen hinunterschlängelten. Ihre Augen waren vom Weinen gerötet, und sie sah gehetzt und völlig verängstigt drein. Sie erschauderte und richtete den Blick auf den Blutfleck am Boden.
    „Das ist Molly“, rief ich in den Raum. „Sie ist siebzehn. Ihre beste Freundin hatte wegen der Drogen, von denen sie abhängig war, bereits ein Kind verloren. Sie wusste, dass dies wieder geschehen würde. Also traf sie eine Entscheidung, um das Kind zu schützen, um ihre Freunde vor deren Abhängigkeit zu bewahren. Sie benutzte ihre Macht, um einzugreifen.“
    Ich sah Morgan ins Gesicht. „Sie traf eine falsche Entscheidung. Das bestreitet niemand. Sie gibt es ja selbst zu. Aber sehen Sie sie an. Sie ist keine Bestie. Sie sieht ein, dass das, was sie getan hat, falsch war. Sie weiß, sie braucht Hilfe. Sie hat sich dem Richtspruch des Rates aus freiem Willen unterworfen. Sie will lernen, ihre Macht zu beherrschen, sie verantwortungsbewusst einzusetzen. Sie kam, weil sie hofft, dass sie hier jemand an der Hand nimmt.“
    Morgan sah mich nicht an. Er blickte zu Molly hinüber. Seine Finger trommelten weiter auf den Griff des Schwertes.
    „Ich habe den Seelenblick durchgeführt. Es ist nicht zu spät, ihr zu helfen. Sie hat die Chance verdient, sich zu bessern“, fuhr ich fort. Ich sah den Torwächter an. „Um Gottes willen, Magier, wenn wir diesen Krieg überleben wollen, brauchen wir jedes Talent, dessen wir habhaft werden können. Mollys Tod wäre eine törichte Vergeudung.“
    Ich atmete ein und sah dem Merlin fest ins Gesicht. „Auf diesem Boden ist schon genug Blut geflossen. Ich bitte Sie, Milde walten zu lassen. Verhängen sie den Damoklesfluch, wenn es sein muss, aber ich bitte Sie, ihr Leben zu verschonen. Ich werde persönlich die Verantwortung für ihre Ausbildung und die Konsequenzen für all ihre Taten während dieser Zeit übernehmen.“
    Grabesstille legte sich über den Raum.
    Ich wartete darauf, dass der Merlin wieder das Wort ergreifen würde. Molly begann, stärker zu zittern, und ein leises Schluchzen drang aus ihrer Kehle.
    Die Augen des Merlins verengten sich, und allein dieser Gesichtsausdruck war für mich die Offenbarung, dass mir ein furchtbarer Fehler

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