Harry Dresden 08 - Schuldig
„Wenn das nicht dieser Berater ist. Glaubt doch tatsächlich, er sei ein Zauberer.“
„Rawlins“, erwiderte ich lächelnd und streckte ihm die Hand hin. Er schüttelte sie, und sein Händedruck war auf eine träge Art fest.
„Sie sind also auch einer von diesen Horrorfans?“, grollte er.
„Äh, ja“, antwortete ich.
Er schnaubte nochmals.
„Eigentlich hatte ich gehofft, dass ich irgendwie in diese Toilette reinkomme.“
Rawlins schürzte die Lippen. „Es gibt noch zwei weitere auf dieser Etage. Eine hinten beim Empfangsschalter und eine zweite hinten im anderen Konferenzraum.“
„Die hier gefällt mir aber besser“, sagte ich.
Rawlins blitzte mich durch zusammengekniffene Augen an. „Vielleicht können Sie ja nicht lesen. Sehen sie das Band da? Auf dem Tatort und so steht?“
„Das schwarzgelbe Ding?“, frage ich.
„Genau.“
„Ja.“
„Na ja, genau das benutzen wir Polizisten, wenn wir einen Tatort haben und verhindern wollen, dass neugierige Privatschnüffler mit ihren Riesenstiefeln überall herum latschen und alle Spuren kontaminieren“, sagte er gedehnt.
„Was ist, wenn ich verspreche, auf Zehenspitzen herumzuwieseln?“
„Dann verspreche ich Ihnen, dass ich damit aufhöre, Ihren Kopf an die Wand zu donnern, sobald ich davon überzeugt bin, dass Sie sich nicht länger einer Verhaftung widersetzen wollen“, ließ er mich in einem immer noch fröhlichen Tonfall wissen. Dann verschwand das Lächeln von seinen Lippen, und sein Blick wurde hart. „Das ist ein Tatort. Nein.“
„Molly“, flüsterte ich. „Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich mit dem Beamten hier kurz unter vier Augen spreche?“
„Klar“, sagte sie. „Ich muss mich sowieso noch um ein paar Dinge kümmern. Wenn du mich entschuldigst.“ Sie schritt von dannen, ohne sich ein einziges Mal umzusehen.
„Macht es Ihnen etwas aus, mit mir darüber zu reden?“, fragte ich Rawlins.
„Nö“, antwortete er. „Sehen Sie, Dresden, ich denke, Sie sind in Ordnung. Ich werde mich mit Ihnen unterhalten. Aber ich lasse Sie nicht da rein.“
„Warum nicht?“
„Weil es die Angelegenheit für den Jungen, den wir verhaftet haben, komplizierter machen würde.“
Ich runzelte die Stirn und legte den Kopf schief. „Ach?“
Rawlins nickte. „Der Junge war’s nicht“, erklärte er. „Aber die Sicherheitskameras des Hotels zeigen, wie er in die Toilette geht. Kurz darauf folgt das Opfer und niemand sonst, und ich saß die ganze Zeit über genau an diesem Fleck. Ich bin absolut sicher, dass sonst niemand hinein gegangen ist.“
„Weshalb sind Sie dann so sicher, dass der Junge den alten Mann nicht doch angegriffen hat?“, fragte ich.
Rawlins zuckte lässig die Achseln. „Es hat einfach nicht gepasst. Er hat nicht schwer geatmet, doch wenn man jemanden verprügelt, geht einem verdammt schnell die Puste aus. Keine Verletzungen an Händen und Knöcheln. Kein Blut.“
„Warum haben Sie ihn dann überhaupt festgenommen?“, wollte ich wissen.
„Weil die Aufnahme zeigt, dass es sonst niemand getan haben kann“, antwortete Rawlins, „und weil der Alte zu weit hinüber war, als dass er hätte reden und die Unschuld des Jungen bestätigen können. Der Junge hat dem Alten die Prügel nicht verpasst, aber das heißt noch lange nicht, dass er nicht mit dem Täter unter einer Decke steckt. Ich war der Meinung, er wusste vielleicht, wie der Täter rein und wieder raus gekommen ist, ohne dass ihn jemand gesehen hat. Also habe ich ihn mir geschnappt, um ein Wörtchen mit ihm zu reden. Habe gedacht, der Junge würde singen, wenn es einen Komplizen gibt, statt die ganze Schuld auf sich zu nehmen.“ Rawlins verzog das Gesicht. „Aber er sang nicht. Hatte nicht die geringste Ahnung.“
„Aber warum haben Sie ihn dann hinter Schloss und Riegel gebracht?“, bohrte ich nach.
„Wusste nicht, dass der Junge einen Akteneintrag hat, bis der Papierkram schon im Rollen war. Wiederholungstäter haben einen steilen Weg vor sich, wenn sie unter Verdacht geraten. Sieht schlimm für ihn aus. Höchstwahrscheinlich ist er sogar dran, wenn er in Wahrheit unschuldig ist.“
Ich schüttelte den Kopf. „Sie sind sicher, dass niemand rein- oder rausgegangen sein kann?“
„Ich war genau hier“, antwortete er. „Jeder, der an mir vorbei gekommen ist, muss ein Jediritter oder so was gewesen sein.“
„Oder so was“, murmelte ich und warf einen Blick auf die Tür.
„Die Freundin“, sagte Rawlins und nickte in die Richtung, in
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