Harry Dresden 08 - Schuldig
brünette Frau mittleren Alters, die müde aus der Wäsche schaute, saß hinter dem ersten Tisch und war damit beschäftigt, irgendwelchen Papierkram zu erledigen.
„Molly“, sagte sie, und in ihrer Stimme schwang erschöpfte, aber aufrichtige Freude mit. „Wer ist denn dein Freund?“
„Harry Dresden“, sagte Molly. „Das hier ist Sandra Marling. Sie ist die Hauptorganisatorin der Convention.“
„Sind Sie auch Horrorfan?“, erkundigte sich Sandra Marling.
„Dieser Tage dreht sich mein Leben nur um Horror.“
„Dann sollten sie hier genug finden, was Ihnen Spaß macht“, versicherte sie mir. „Wir zeigen in mehreren Sälen und dem Kino diverse Filme, es gibt eine Verkaufshalle, morgen haben wir mehrere Signierstunden auf dem Programm, und der Kostümwettbewerb ist auch immer ein Heidenspaß.“
„Na toll“, sagte ich und gab mit Mühe, nicht in meinem eigenen Enthusiasmus zu ertrinken.
„Sandy“, sagte Molly und drängte sich zwischen uns. „Ich würde gerne meine Freikarte für Harry verwenden.“
Sandra nickte. „Rosanna hat eben erst vor ein paar Minuten nach dir gesucht. Hast du schon mit ihr geredet?“
„Ich habe sie seit dem Nachmittag nicht mehr gesehen“, erwiderte Molly und knabberte an ihrer Unterlippe. „Hat sie vergessen, ihre Vitamine zu nehmen?“
„Lass dir mal keine grauen Haare wachsen, Mädel. Ich habe sie für dich daran erinnert.“
Molly sah deutlich erleichtert aus. „Danke.“
Sandra ließ mich in der Zwischenzeit ein Registrierungsformular ausfüllen, durch das ich mich in aller Eile hindurch kritzelte. Danach reichte sie mir einen Plastikanhänger, der um ein Stück Papier gefaltet war, auf dem „Splattercon!!! Hallo, ich bin …“ stand. Sie hielt mir einen schwarzen Filzstift hin. „Tut mir leid, der Drucker ist schon den ganzen Tag ausgefallen. Tragen Sie einfach Ihren Namen ein.“
Ohne Zögern schmierte ich „ein unbeteiligter Zuschauer“ auf das Namensschild, klemmte es in die Plastikhalterung und steckte es an mein T-Shirt.
„Ich hoffe, Sie haben Spaß auf der Splattercon, Harry“, meinte Sandra.
Ich angelte mir ein Programmheft und warf einen Blick darauf: „Kunstblut und individuelle Vampirzähne selbst gemacht“, gefolgt von „Schreien wie ein Profi“. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich keinen Spaß haben werde.“
Molly warf mir einen unterkühlten Blick zu, als wir uns entfernten. „Musst du dich unbedingt über die Con lustig machen?“
„Ja, das muss ich“, versicherte ich ihr. „Ich mache mich über fast alles lustig.“
„Das ist gemein. Sandra hat fast ein Jahr ihr ganzes Herzblut in diese Convention fließen lassen, und ich mag es nicht, wenn man ihre Gefühle verletzt.“
„Woher kennst du sie überhaupt?“, fragte ich. „Sicher nicht aus der Kirche.“
Molly sah mich einen Augenblick lang peinlich berührt an und sagte dann: „Sie hat einen ehrenamtlichen Teilzeitjob bei einer Notschlafstelle für Obdachlose, wo ich meine Sozialstunden ableiste. Sie hat auch Nelson aus der Patsche geholfen, als er noch jünger war, und Rosie und ihrem Freund auch.“
Ich hob beschwichtigend die Hand. „Schon gut. Ich werde mich benehmen.“
„Danke“, erwiderte sie spitz. „Das ist sehr erwachsen von dir.“
Langsam wurde ich ein wenig ärgerlich, doch mir schoss plötzlich der verstörende Gedanke durch den Kopf, ich stünde auf derselben Seite wie Charity, wenn ich dem Zorn nachgab, und das konnte dann nur ein Zeichen der herannahenden Apokalypse sein.
Molly führte mich ans andere Ende eines langen Konferenzsaales, wo sich wie üblich die Türen zu den Klosetts befanden. Eine der Türen war mit drei Schichten Polizeiband versiegelt, und ein Polizist saß auf einem Stuhl daneben.
Der Cop war ein großer Schwarzer, dessen Haar an den Schläfen grau meliert war. Der Sessel, auf dem er es sich gemütlich gemacht hatte, balancierte auf zwei Beinen, während die Lehne an der Wand ruhte. Er hatte seine Uniform an, doch hatte auch er ein Splattercon!!!-Namensschild angeklipst. Er hatte es ebenfalls mit einem Filzstift ausgefüllt, und nun konnte man in einer kantigen Handschrift „Hi, ich bin eine Autoritätsperson“ lesen. Der Namensstreifen auf seiner Uniform wies ihn als „Rawlins“ aus.
„Hallo“, grinste der Bulle, als ich zu ihm hinüber schlenderte. Er öffnete seine fast vollständig geschlossenen Augen und bedachte mich mit einem vorsichtigen Lächeln. Er las mein Namensschild und schnaubte.
Weitere Kostenlose Bücher