Harry Dresden 08 - Schuldig
hatte, verkündete, man könne sich hier zwischen 12 und 17 Uhr dem „Filk“ hingeben. Was auch immer „Filk“ war, es hörte sich dubios an, als habe es etwas mit dem Laichvorgang bei Lachsen oder irgendeiner bizarren Diskussion über gewisse Verhaltensweisen von Säugetieren zu tun. Ich beschloss, es sei wahrscheinlich besser für meine geistige Gesundheit, gewisse Dinge nicht zu wissen.
Greene befand sich in diesem Raum. Er stand mit verschränkten Armen und einem unfreundlichen Gesicht auf dem Podest. Molly saß auf einem Stuhl in der ersten Reihe. Sie hatte noch immer dieselben Klamotten an wie in der Vornacht und schaute verdammt müde aus der Wäsche. Sie hatte geweint.
In ihrer Nähe stand ein Mann von durchschnittlichem Körperbau und durchschnittlicher Größe, dessen brünettes Haar zerzaust genug war, dass man es für einen Modetrend halten konnte. Er trug einen grauen Anzug, dessen Seriosität eine Krawatte, auf der Marvin der Marsmensch prangte, dezent untergrub. Ich kannte ihn. Rick, Murphys Ex. Er beugte sich über Molly und reichte ihr einen Becher Wasser, offensichtlich der gute Bulle in der üblichen Verhörroutine. Also war er in offizieller Mission hier. Agent Rick.
„Entschuldigen Sie“, rief Greene, ohne sich zu mir umzudrehen. „Dieser Raum ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.“
„Nicht?“, antwortete ich extrem geistreich. „Schade. Ich hatte mich schon so auf meinen Nachmittagsfilk gefreut!“
Molly blickte auf, als sie meine Stimme erkannte, und in ihren Augen spiegelte sich plötzlicher Mut wieder. „Harry!“
„Grüß dich, Jungspund“, zwinkerte ich ihr zu und schlenderte, Mouse im Schlepptau, herein. Der Hund trottete zu Molly, wedelte mit dem Schwanz und bettelte unverhohlen um etwas Zuwendung, indem er seine Schnauze unter ihre gefalteten Hände schob. Molly lachte, beugte sich zu ihm herab und umarmte den Hund stürmisch, wobei sie begeistert in Babysprache auf ihn ein plapperte, wie sie es bei ihren jüngsten Geschwistern immer tat.
Greene fuhr herum, um mir einen missvergnügten Blick zuzuwerfen. Einen Herzschlag später folgte Rick seinem Beispiel.
„Dresden“, sagte Greene mit befehlsgewohnter Stimme. „Sie stören ein Verhör. Verschwinden Sie.“
Ich ignorierte ihn und wandte mich an Molly. „Wie geht’s Rosie?“
Sie presste ihre Wange weiter auf Mouses breiten Schädel und informierte mich: „Nicht bei Bewusstsein. Die Neuigkeiten haben sie ganz schön aufgeregt, also haben ihr die Ärzte etwas gegeben, damit sie schlafen kann. Sie hatten Angst, sie würde durchdrehen und somit das Baby gefährden.“
„Dresden“, zürnte Greene.
„Das ist im Augenblick für sie das Beste“, versicherte ich Molly. „Sie wird mit der Situation besser umgehen können, wenn sie sich etwas erholt hat.“
Sie nickte und sagte: „Das hoffe ich auch.“
Greene spie einen Fluch aus und griff nach seinem Funkgerät, höchstwahrscheinlich, um ein paar seiner Rowdys zu rufen.
Greene war ein Arsch.
Vielleicht begann ich langsam, zu sehr Gefallen an kleinen Flüchen zu finden, doch ich konnte es mir nicht verkneifen, etwas zu murmeln und mit meinem Willen nach dem Funkgerät zu tasten. Funken schossen aus dem Apparat, und kurz darauf folgte auch noch eine kleine Rauchfahne. Greene stand fluchend da und versuchte, sein Spielzeug zum Funktionieren zu bringen. „Verdammt noch mal, Dresden“, knurrte er. „Verschwinden Sie, bevor ich Sie aufs Revier mitnehmen muss.“
Ich ignorierte ihn weiter. „Hallo, Rick. Wie war die Hochzeit?“
„Das reicht“, fauchte Greene.
Rick schürzte die Lippen und hob beschwichtigend die Hand in Richtung Greene. „Es hat zumindest keine Toten gegeben“, entgegnete Agent Rick, der mich nachdenklich ansah. Dann schweifte sein Blick zwischen Molly und mir hin und her. „Harry, wir arbeiten. Sie sollten gehen.“
„Ja?“, fragte ich. Ich ließ mich neben Molly auf einen Stuhl fallen und grinste ihn breit an. „Da bin ich anderer Meinung. Was ich damit sagen will: Ich arbeite auch. Ich bin nämlich Berater.“
„Sie behindern hier eine Ermittlung, Dresden“, knurrte Greene. „Sie werden von der Stadt keine Jobs mehr erhalten, und Sie werden ihre Lizenz als Privatdetektiv verlieren. Hölle, ich werde Sie für ein oder zwei Monate hinter schwedischen Gardinen verschwinden lassen.“
„Nein, werden Sie nicht.“
„Na schön, ganz wie Sie wollen, Sie Großkotz“, geiferte Greene und schritt auf die Tür zu.
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