Harry Dresden 09: Weiße Nächte
nicht ins Muster passt?“
„Jessica Blanche“, sagte ich. „Die, die Molly untersucht hat.“
„Genau“, sagte Murphy. „Ich habe mehr über sie herausgefunden.“
„War sie eine Art Kultistin oder so was?“
„Oder so was“, sagte Murphy. „Laut eines Freundes bei der Sitte war sie eine Angestellte des Velvet Rooms.“
„Des Velvet Rooms? Ich hatte eigentlich gedacht, ich hätte den niedergebrannt … äh, na ja, es ist so, natürlich hat ein bisher nicht identifizierter Übeltäter den bis auf die Grundmauern abgefackelt.“
„Er hat wieder aufgemacht“, sagte Murphy. „Unter neuer Leitung.“
Klick. Jetzt begannen die Mosaiksteinchen endlich, an den richtigen Ort zu fallen. „Marcone?“, fragte ich.
Johnnie Marcone war der größte und gruseligste Gangster in einer Stadt, die für ihre Gangster berühmt war. Als die alten Famiglias unter ihrem ständigen Gezänk zusammengebrochen waren, hatte er eine Alexander-der-Große-Nummer abgezogen und eines der größten Verbrechersyndikate der Welt aus dem Boden gestampft – wenn man mal offizielle Regierungen nicht mit einrechnete. Die Rate der Gewaltverbrechen war ganz schön eingeknickt, einerseits, weil sich die Polizei alle Mühe gab, hart durchzugreifen, andererseits aber auch wegen Marcones drakonischer Herrschaft über die zwielichtigeren Elemente der Unterwelt der Stadt. Die Wirtschaftsleistung des organisierten Verbrechens hingegen hatte sich verdoppelt, und Marcones Einfluss und Macht wuchsen von Tag zu Tag weiter an.
Er war ein gerissener, zäher, bedrohlicher Mann – und er kannte keine Angst. Das war eine verdammt tödliche Kombination, und ich vermied es, ihm über den Weg zu laufen, wo immer es auch möglich war.
So wie es im Augenblick allerdings aussah, konnte ich das in diesem Falle nicht.
„Du weißt nicht zufällig, wo sich der neue Velvet Room befindet?“, erkundigte ich mich bei Murphy.
Sie warf mir einen bedeutsamen Blick zu.
„Schon recht. Entschuldigung.“ Ich pfiff durch die Zähne. „Scheint, als wäre es eine gute Idee, mit den Kolleginnen des Mädels zu sprechen. Ich bin sicher, die singen nur zu gerne, um Schwierigkeiten mit dem Gesetz aus dem Weg zu gehen.“
Murphy grinste breit. „Möglich, und wenn nicht, ist Marcone vielleicht bereit, mit dir zu reden.“
„Marcone mag mich nicht“, sagte ich, „und das beruht auf Gegenseitigkeit.“
„Marcone mag niemanden“, meinte Murphy. „Aber er achtet dich.“
„Als spräche das für mich.“
Murphy zuckte die Achseln. „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Marcone ist Abschaum, aber er ist kein Narr, und er hält sein Wort.“
„Ich werde mit Elaine sprechen, wenn sie alle hier untergebracht hat“, sagte ich. „Sie überreden, mit Mouse hierzubleiben und ein Auge auf alles zu haben.“
Murphy nickte. „Elaine, hm? Die Ex.“
„Ja.“
„Die, die das letzte Mal, als sie in der Stadt war, gegen dich arbeitete.“
„Ja.“
„Traust du ihr?“
Ich sah eine Weile lang auf Murphy hinunter und dann zum Hotelzimmer hinüber. „Zumindest würde ich es gern.“
Sie atmete langsam aus. „Ich habe das Gefühl, als würde diese Sache noch ziemlich seltsam werden. Du brauchst jemanden, der dir den Rücken freihält.“
„Habe ich“, sagte ich und hielt meine Faust hoch. „Dich.“
Murphy boxte mit den Knöcheln sanft gegen meine und schnaubte. „Du schleimst dich schon wieder bei mir ein, Dresden.“
„Auf meiner Spur könnte glatt jemand ausrutschen“, pflichtete ich bei.
„Das steht zu befürchten“, sagte sie. „Wenn man mal bedenkt, wie schwul du seit Neuestem bist und so.“
„Ich bin was …“ Ich blinzelte. „Oh. Thomas’ Wohnung. Herrjemine, Gerüchte verbreiten sich ja verdammt schnell bei der Polizei.“
„Allerdings. Rawlins hat es am Kaffeeautomaten aufgeschnappt und musste mich einfach anrufen, um mir alles über deinen Streit mit deinem Freund zu berichten. Er wollte wissen, ob er dir den Soundtrack von Les Misérables oder eher das Phantom der Oper zu Weihnachten schenken soll. Varetti und Farrel kommen über Malones Schwager günstig an Discokugeln ran.“
„Habt ihr Typen eigentlich kein echtes Leben?“, stöhnte ich. Da sie weiterhin frech lächelte, bohrte ich misstrauisch weiter. „Was bekomme ich von dir?“
Sie grinste breit, und ihre blauen Augen blitzen. „Stallings und ich haben ein signiertes Poster von Julie Newmar auf eBay gefunden.“
„Die Sache wird mir bei euch wahrscheinlich ewig
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