Harry Dresden 09: Weiße Nächte
langsamer als ich. „Wer?“
„H... Helen“, schluchzte Abby. „Es war Helen.“
27. Kapitel
I ch stand einfach nur da und kochte innerlich, während Elaine den Rest der Geschichte aus Abby und Priscilla heraus kitzelte.
„Es war nur etwa eine Stunde nachdem Sie gegangen waren“, berichtete Abby. „Helens Mobiltelefon klingelte.“
„Mobiltelefon?“ Ich spitzte die Ohren. „Sie besitzt ein funktionierendes Mobiltelefon?“
„Sie hat kein wirklich ausgeprägtes Talent“, gab Abby zu bedenken. „Eigentlich hat das keine von uns. Selbst mein Mobiltelefon funktioniert die meiste Zeit über.“
Ich grunzte. „Was wiederum bedeutet, dass sie kein größeres Talent vor uns verborgen hat. Das ist doch schon mal was.“
„Harry“, sagte Elaine leise. Es war eindeutig ein Tadel. „Bitte fahren Sie fort, Abby.“
Ich hielt die Klappe.
„Jemand hat sie angerufen, und sie ist ins Badezimmer gegangen, um das Telefonat entgegenzunehmen. Ich habe nicht verstehen können, was sie gesagt hat, aber als sie wieder herausgekommen ist, hat sie gemeint, sie müsste zur Arbeit. Sie würde jetzt gehen.“
Ich zog meine Brauen hoch. „Das muss aber ein guter Job sein, wenn sie es riskiert, sich dem Killer auszusetzen, nur um pünktlich ihre Schicht anzutreten.“
„Das habe ich auch gesagt“, warf Priscilla mit noch bittererer Stimme ein, wenn das überhaupt noch möglich war. „Es war dumm. Ich habe nicht den geringsten Verdacht deswegen geschöpft …“
„Anna hat sich mit ihr gestritten“, fuhr Abby fort, „aber Helen hat sich einfach geweigert zu bleiben. Also wollte Anna, dass wir sie alle gemeinsam zur Arbeit begleiten.“
„Doch davon wollte Helen nichts wissen“, fügte Priscilla hinzu. „Zu diesem Zeitpunkt hatte ich fast den Eindruck, als schäme sie sich, wenn wir sie dabei sähen, wie sie einem unbedeutenden Job in irgendeinem Fast-Food-Schuppen oder so was nachgeht.“
„Wir haben nie herausgefunden, was sie tut“, gestand Abby mit einem bedauernden Unterton ein. „Sie wollte nie darüber sprechen. Wir dachten immer, es würde ihren Stolz verletzen.“ Geistesabwesend streichelte sie den winzigen Hund auf ihrem Arm. „Sie hat davon gesprochen, sie wolle uns und ihr restliches Leben klar getrennt halten … doch wie auch immer, Anna hat sie in ein Taxi gesetzt und ihr eingebläut, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Einfach anzurufen, sobald sie sicher unter anderen Menschen war.“
„Sie haben sie einfach gehen lassen?“, unterbrach ich.
„Sie ist eine Schwester des Ordos“, sagte Priscilla. „Keine Kriminelle, die man dauernd misstrauisch unter Beobachtung halten sollte.“
„Der springende Punkt ist nur“, sagte ich, „dass sie eben genau so eine Kriminelle ist, die man ständig misstrauisch unter Beobachtung halten sollte. Fragen Sie ihren verdammten Bewährungshelfer.“
Elaine warf mir einen missvergnügten Blick zu. „Verdammt, Harry. Das ist nicht hilfreich.“
Ich grummelte etwas in meinen nicht vorhandenen Bart, verschränkte die Arme und hockte mich hin, um Mouse ausgiebig an Kopf und Hals zu kraulen. Vielleicht half mir das ja, meinen Mund geschlossen zu halten. Immerhin gab es für alles ein erstes Mal.
„Helen rief uns ungefähr zwanzig Minuten später an“, sagte Priscilla. „Sie hat uns erzählt, ihr sei jemand vom Hotel aus gefolgt. Unser Aufenthaltsort sei aufgeflogen. Wir müssten verschwinden. Also haben wir getan, was Sie uns aufgetragen hatten. Helen hat gesagt, sie würde sich hier mit uns treffen.“
„Ich habe Ihnen doch befohlen, einen öffentlichen Ort aufzusuchen …“, knurrte ich.
„Harry!“, fuhr mir Elaine energisch über den Mund.
Ich gab mich wieder geschlagen.
Eine Weile hing peinliches Schweigen in der Luft. „Äh. Also gingen wir“, sagte Abby. „Aber als wir hier ankamen, war von Helen nicht die geringste Spur zu sehen.“
„Nein“, meinte Priscilla und umklammerte schutzsuchend unter den Brüsten ihren Oberkörper. Selbst in ihrem Rollkragenpulli machte sie einen armseligen, fröstelnden Eindruck. „Sie hat uns wieder angerufen und gebeten, in ihre Wohnung zu kommen.“
„Ich bin mit den Hunden hiergeblieben“, sagte Abby. Toto sah zu ihr auf, legte den Kopf schief und wedelte mit seinem kleinen Schwanz.
„Sobald Anna und ich sie abgeholt hatten“, fuhr Priscilla fort, „sind wir hierher gefahren – aber Helen sah furchtbar aus. Ihr war das Insulin ausgegangen, und sie hatte wegen all dieser
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