Harry Dresden 09: Weiße Nächte
drollig“, sagte ich. „Kommen Sie schon, rufen Sie die Polizei.“
Murphy schnaubte. „Ich bin sicher, dass die nur so auf eine Ausrede brennen, hier angetrabt zu kommen.“
„Ich …“, stammelte Bonnie unsicher. Augenscheinlich hatte man ihr nicht beigebracht, wie sie mit so einer Entgegnung umgehen sollte. Oder vielleicht war sie auch von Grund auf nicht besonders helle.
Ich vollführte vor Murphy eine Wenn-es-Ihnen-nichts-ausmacht-Geste. Sie schüttelte den Kopf und lehnte sich an die Wand, damit ich besser an die Gegensprechanlage konnte.
„Sehen Sie, Bonnie“, sagte ich. „Wir sind nicht hier, um Ärger zu machen. Wir müssen nur mit Ihrer Chefin reden. Wenn sie will, kann sie sich gerne über die Gegensprechanlage mit uns unterhalten. Sonst komme ich nämlich rauf und werde persönlich mit ihr quatschen. Hier stellt sich eigentlich nur eine Frage von Bedeutung: Wäre es Ihnen lieber, vernünftig und höflich zu sein, oder ziehen Sie es vor, ein paar Wände, Türen und Schläger zu ersetzen?“
„Äh. Nun.“
„Melden Sie uns einfach Ihrer Chefin, Bonnie. Es ist nicht Ihre Schuld, dass wir nicht auf die Bürozeitenmasche hereingefallen sind. Lassen Sie sie entscheiden, was am klügsten wäre, und gehen Sie so Schwierigkeiten aus dem Weg.“
Nach einer Weile hatte Bonnie offensichtlich geschnallt, dass es das Professionellste war, den Schwarzen Peter weiterzureichen. „Nun gut. Darf ich fragen, wen ich melden soll?“
„Ich bin hier mit Sergeant Murphy, Chicago PD“, sagte ich. „Mein Name ist Dresden.“
„Oh!“, sagte Bonnie. „Mister Dresden, ich entschuldige mich in aller Form! Ich habe nicht gewusst, dass Sie es sind!“
Ich blinzelte die Gegensprechanlage überrascht an.
„Sie sind das letzte unserer Platin-Clubmitglieder, das uns noch keinen Besuch abgestattet hat. Ich bitte um Entschuldigung. Ich lasse Sie und Ihren Gast sofort am Aufzug abholen, wo Ihnen auch Ihr Willkommenspaket überreicht werden wird. Ich informiere Miss Demeter umgehend.“
Die Tür surrte, klackte und sprang auf.
Murphy warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu. „Was war das denn?“
„Frag bitte nicht“, antwortete ich. „Du weißt doch, ich bin schwul.“
Wir traten ein. Der erste Stock sah aus wie ein Einkaufszentrum im Miniaturformat. An den Wänden drängten sich winzige Geschäfte, die Computerteile, Bücher, Videospiele, Kerzen, Badezusätze, Schmuck und alle möglichen Modefetzen vertickten. Eine Lichtschiene auf der anderen Seite eines roten Teppichs erwachte zum Leben und erhellte uns den Weg zu einer Reihe von Aufzugstüren. Eine dieser Türen stand wartend offen.
Wir traten ein, und ich drückte den Knopf für den zweiten Stock. Sofort setzte sich der Aufzug in Bewegung. „Wenn dort oben ein Willkommenskomitee der Munchkins auf uns wartet, verschwinde ich sofort wieder. Das ist derart surreal!“
„Ist mir auch aufgefallen“, sagte Murphy.
„Miss Demeter“, sagte ich. „Glaubst du, das ist ein Pseudonym?“
Murphys Mundwinkel zuckten. „Ich glaube, wir werden hier noch über jede Menge unechter Dinge stolpern.“
Der Aufzug hielt an, und die Tür glitt auf.
Drei Frauen erwarteten uns davor. Sie alle trugen … na ja, Fitnesskleidung war eigentlich nicht wirklich zutreffend. Sie waren in denselben Fummel gekleidet wie die Serviermädchen in den Hooters-Bars, nur dass ihre Kleidung noch knapper anlag. Die Mädels waren gerade einmal alt genug, um legal Alkohol zu trinken. Doch sie waren alle offensichtlich durch ein strenges Auswahlverfahren geflutscht, das ihnen erlaubte, solche Kleidung zu tragen, und sie waren hübsch, ein Blondine, eine Brünette und eine Rothaarige. Sie alle hatten … ein liebreizendes Lächeln.
„Willkommen, Sir“, sagte die Rothaarige. „Darf ich Ihnen vielleicht Ihren Mantel abnehmen … und den Stock?“
„Das war das, was in den letzten Jahren einer Anmache am nächsten gekommen ist“, seufzte ich. „Aber nein, die behalte ich für den Augenblick an mir.“
„Wie Sie wünschen.“
Die Blonde hielt ein rundes Silbertablett mit zwei Sektflöten mit einem orangen Getränk hoch. Sie strahlte uns an. Der Lichtschein, der sich von ihren Zähnen widerspiegelte, würde höchstwahrscheinlich fiese Narben auf meiner Netzhaut hinterlassen. „Mimosa, Sir, Ma’am?“
Murphy bedachte das Trio mit einem ausdruckslosen Blick. Dann angelte sie sich ohne ein weiteres Wort einen der Drinks, kippte ihn auf den Boden und stellte das Glas mit einem
Weitere Kostenlose Bücher