Harry Dresden 09: Weiße Nächte
ihr Handy.
Ich biss mir auf die Lippe, als Elaine mit einem schwachen Lächeln zu mir aufblickte. Sie versuchte zu sprechen, doch es klang irgendwie undeutlich. „Verdammt. Jedes Mal, wenn ich nach Chicago komme, muss mich jemand retten. Sehr unangenehm.“
„Zumindest habe diesmal nicht ich das Gebäude geschrottet“, antwortete ich.
Sie stieß einen Laut aus, der mit etwas mehr Kraft wohl ein Lachen gewesen wäre. „Dieser Bastard hat mich auf dem falschen Fuß erwischt. Hat sich geschickt angeschlichen. Hab’s nicht mal bemerkt.“
„So funktioniert der gute, alte Psychohammer“, sagte ich leise. „Sobald du zu denken beginnst, ‚Meine Güte, vielleicht bin ja gar nicht ich es, der an Selbstmord denkt’, kracht alles in sich zusammen.“
„Wäre nicht passiert, wenn du mich nicht gewarnt hättest“, sagte sie und sah mir in die Augen. „Ich danke dir, Harry.“
Ich lächelte sie an und überprüfte ihr Handgelenk. „Das sieht nicht gut aus. Wir schaffen dich zu einem Arzt. Einverstanden?“
Sie schüttelte den Kopf. „Der obere Raum. Abby, Olivia, die anderen. Sieh nach ihnen.“
„Ich bezweifle, dass die ebensoviel Blut verloren haben wie Sie“, warf Murphy ein, auch wenn sie mir dann auf dem Weg zur Treppe zuvorkam, um in den zweiten Stock zu eilen und nach dem Rechten zu sehen.
„Gut. Zeit, das zu Ende zu bringen.“ Ich hob Elaine auf. Ich achtete darauf, den Duschvorhang an Ort und Stelle zu halten. „Komm. Du kannst genauso gut im Auto warten, bis der Notarzt hier antanzt. Vielleicht kann ich etwas anderes auftreiben, um deinen Arm abzubinden, hm?“
„Wenn du meine Handtasche findest“, sagte sie und schloss mit einem schwachen Lächeln die Augen, „kannst du ja mein magisches Lasso benutzen.“
Ich drehte mich zum Auto um, just als die Hupe panisch zu tröten begann.
Der Skavisagent regte sich wieder. Er kämpfte sich auf die Knie.
„Verdammt“, fluchte ich und lief zum Auto. Ich riss die Beifahrertür auf und schob Elaine hinein, während der Skavis auf die Beine kam. „Murphy!“
Murphy rief etwas, das ich nicht besonders gut hören konnte. Der Skavis wandte sich mir zu. Sein Gesicht, das auf einer Seite unter Brandwunden verzerrt war, verzog sich zu einer schrecklichen Fratze.
Murphys Waffe begann zu bellen, als sie mit bedächtigen, kontrollierten Feuerstößen auf ihn zu schießen begann. Funken stoben vom Asphalt nahe seiner Füße auf. Zumindest ein Schuss traf ihn und schleuderte seinen Körper zur Seite.
Ich erhob mich, den Sprengstock in der Hand.
Ich hörte ein Grollen, dass eher zu einer Raubkatze als zu einem Hund gepasst hätte, und im zweiten Stock zerbrach Glas. Mouse warf sich über das Sicherheitsgeländer, landete schwer auf dem Boden und stürzte sich auf den Skavis. Der Hund war keine fünfzehn Zentimeter hinter dem Skavisagenten, als dieser mich erreichte. Er hatte einen Arm gehoben, um … na ja, um mich zu schlagen. Aber wenn man bedachte, wie hart dieser Schlag sein würde, wäre das Wort zerschmettern wohl eher angemessen. Er würde mich zerschmettern.
Thomas kam mit seinem Kavalleriesäbel anscheinend aus dem Nichts gestürmt und trennte dem Skavis den Schmetterarm an der Schulter ab.
Dieser stieß einen Schrei aus, der nicht im Mindesten menschlich klang und versuchte, mich zu beißen. Ich rollte mich aus dem Weg und verpasste ihm einen gehörigen Stoß in den Rücken.
Mouse warf sich auf ihn, und das war es dann.
Ich musterte Thomas intensiv, als Mouse sicherstellte, dass dieser unglaublich widerstandsfähige Vampir nie wieder auf die Beine kommen würde. Das war verdammt knapp gewesen. Der Skavis hatte für seinen Schachzug ein perfektes Timing an den Tag gelegt. Eine Sekunde noch, und er hätte mir das Genick gebrochen.
„Na“, wandte ich mich außer Atem an Thomas. „Das wurde aber auch mal Zeit.“
„Besser zu spät als nie“, erwiderte Thomas. Sein Blick wanderte zu der blutenden Elaine. Er leckte sich kurz die Lippen und meinte: „Sie braucht Hilfe.“
„Ist bereits unterwegs, Harry“, sagte Murphy. „Die Reaktionszeit ist lang hier, aber sie sollten in ein paar Minuten hier sein. Oben sind alle in Ordnung, Harry.“
„Gott sei Dank“, sagte Thomas.
Was in seinem Fall ganz schön komisch war, wenn man die Umstände in Betracht zog. Doch ich stimmte ihm zu.
Molly saß wie versteinert am Steuer des Käfers und atmete mit weit aufgerissenen Augen viel zu schnell. Sie konnte Mouse und sein garstiges Kauspielzeug
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