Harry Dresden 09: Weiße Nächte
eine verletzte Frau, die wahrscheinlich einen Psychiater dringender benötigte als eine Gefängniszelle. Ich erwog die Möglichkeit, ihr vorzuschlagen, den Teil mit dem Hund hineinzuschreiben. Die Leute liebten Hunde. Es war nie verkehrt, eine Hundegeschichte einzubauen.
„Stimmt’s, Mouse?“, fragte ich.
Mouse sah bedrückt zu mir auf. Thomas hatte die Frauen und Kinder von diesem Schlachtfeld weggeschafft und die Überreste des Skavisagenten verschwinden lassen, während ich zu einer Waschstraße geflitzt war, um Mouse mit einem Hochdruckreiniger das Blut aus dem Fell zu spritzen. Mouses Fell hielt für gewöhnlich Feuchtigkeit prima ab, doch wenn es sich einmal vollsaugte, konnte es Hektoliter aufnehmen, und man bekam ihn ewig nicht mehr trocken. Das gefiel ihm gar nicht, und er schien ob dieser Prozedur ordentlich verstimmt.
„Alle lieben Hundegeschichten“, sagte ich.
Mouse atmete gleichmäßig aus, schüttelte den Kopf und legte sich dann hin, um mich höflich, aber definitiv zu ignorieren.
Niemand hatte Respekt vor mir.
Ich saß auf der Wartebank des Hospitals in der Nähe der Notaufnahme, und Mouse drückte sich an mein Bein, falls sich jemand wunderte, zu wem er gehörte. Es war eine verdammt lange Nacht gewesen, und trotz Elaines sanfter Hände schlich sich erneut ein gehöriger Kopfschmerz an. Ich versuchte zu erfassen, ob Kuttes mentaler Vorschlaghammer oder Madrigal und sein blödes Sturmgewehr dafür verantwortlich waren.
Ein dicker, junger Kerl in einem bräunlichen Uniformhemd kam auf mich zu, wie es jede gute Sicherheitswache im mittleren Westen tat – freundlich und nett, bis es an der Zeit war, nicht länger nett zu sein. Dieser Film, Road House , in dem Patrick Swayze einen Rausschmeißer spielte, war eben unsterblich. „Tut mir leid, Mister“, wandte er sich freundlich an mich. Eine Hand hatte er entspannt auf seinen Schlagstock gelegt. „Hunde sind hier verboten. Hausordnung.“
Ich war müde. „Wenn ich ihn nicht nach draußen bringe, werden Sie mich dann zu Tode tonfanieren?“
Er blinzelte. „Was?“
„Tonfa“, sagte ich. „Stellen Sie sich mal all das Getreide vor, das nicht gemahlen wird, nur damit Sie Ihren Job erledigen können. All die Messer, die ungeschliffen bleiben.“
Er lächelte, und ich sah förmlich, wie er mich in der Schublade „betrunken, harmlos“ einsortierte. Er streckte seine Hand in einer Folgen-Sie-mir-bitte-Geste aus.
„Ihr Schlagstock da. Den nennt man Tonfa. Ursprünglich war es eine Kurbel, mit der ein Mühl- oder Wetzstein in einer Schmiede gedreht wurden. Die Völker Südostasiens setzten sie als improvisierte Waffe ein. Okinawa und so, wo große, höfliche Sicherheitstypen wie Sie alle existenten Waffen im Sinne der öffentlichen Sicherheit konfisziert hatten.“
Sein Lächeln verblasste. „Okay, Kumpel …“ Er legte mir die Hand auf die Schulter.
Mouse öffnete die Augen und hob den Kopf.
Das war alles. Er knurrte den dicken Burschen nicht an. Er fletschte nicht die Zähne. Wie alle wirklich gefährlichen Leute, die ich kannte, befand er es nicht für notwendig, in der Öffentlichkeit herumzuprotzen. Er begann einfach, sich für die Situation zu interessieren – und das mit äußerstem Nachdruck.
Das Sicherheitsbubi war klug genug, die Lage zu schnallen und trat einen Schritt zurück. Seine Hand fuhr von seinem Schlagstock zu seiner Funke. Manchmal brauchte eben auch Patrick Swayze Hilfe.
Murphy kam mit ihrer Polizeimarke an der Kette um ihren Hals den Korridor herunter geschlendert. „Immer mit der Ruhe, Großer.“ Sie nickte dem Wachmann zu und wies mit dem Daumen nach hinten auf mich. „Der gehört zu uns, und der Hund ist ein Behindertenhund.“
Der Bub zog eine Braue hoch.
„Manchmal leide ich unter Mundlähmung“, verkündete ich. „Dadurch fällt mir das Lesen recht schwer. Er ist hier, um mir mit langen Worten zu helfen und mich darüber zu informieren, ob ich an einer Tür ziehen oder sie drücken soll und so.“
Murphy spießte mich mit ihrem Blick regelrecht auf und wandte sich wieder an den Wachmann. „Sehen Sie? Geben Sie mir eine Minute, und ich schaffe ihn Ihnen vom Hals.“
Der Sicherheitsfritze musterte mich misstrauisch, doch dann nickte er Murphy zu. „Gut. Ich werde gleich wieder hier sein, falls Sie noch etwas benötigen.“
„Danke“, sagte Murphy mit ausdrucksloser Stimme.
Der Wächter ging. Murphy seufzte und setzte sich neben mich, ihre Füße auf Mouses anderer Seite. Der Hund stieß
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