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Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Titel: Harry Dresden 09: Weiße Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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des Raumes.
    Ein leises, äußerst mitleiderregendes Geräusch.
    Auch ich hatte schon ähnliche Laute von mir gegeben – vor allem, wenn niemand in der Nähe war, den es gekümmert hätte. Der Teil von mir, der wusste, was es bedeutete zu leiden, spürte den Schmerz des gefallenen Engels, und irgendwie bohrte er auch in mich ein schmerzhaftes Loch. Es war ein vage vertrautes Gefühl, das nicht ganz unangenehm war.
    Mit Alleinsein kam man nur schwer zurecht. Manchmal fühlte ich mich auch so, und wenn es soweit war, wünschte ich mir, es möge aufhören. Manchmal, wenn man jemandem nahe war, wenn man andere auf einer viel intimeren Ebene berührte als nur durch die strukturierte Formalität zivilisierter Interaktion, lag darin ein Gefühl von Befriedigung. Zumindest war das bei mir der Fall.
    Es musste nicht einmal jemand sein, der besonders nett war. Man musste ihn noch nicht einmal mögen. Man musste nicht mit ihm zusammenarbeiten wollen. Vielleicht wollte man ihm sogar die Nase brechen. Manchmal war allein die Erfahrung, diese Verbindung hergestellt zu haben, Lohn genug.
    Mit Marcone war es so. Ich mochte den doppelzüngigen Bastard nicht. Aber ich verstand ihn. Er hielt Wort. Ich konnte ihm trauen – ich konnte darauf bauen, dass er kalt, erbarmungslos und gefährlich war, klar. Aber es war beruhigend zu wissen, dass es etwas gab, worauf ich vertrauen konnte. Die Verbindung war entstanden.
    Lasciels bloßer Schatten war um ein Vielfaches gefährlicher als Marcone, aber das hieß noch lange nicht, dass ich die Kreatur nicht als das, was sie war, bewundern konnte, während ich gleichzeitig einen Heidenrespekt vor der Gefahr hatte, die sie für mich darstellte. Es bedeutete nicht, dass ich kein Mitgefühl für diese furchtbar einsame Existenz aufbringen konnte.
    Das Leben war einfacher, wenn man jemanden als Ungeheuer, als Dämon, als furchtbare Bedrohung, die man hassen und fürchten musste, einstufen konnte. Das Problem war nur, dass man das nur konnte, wenn man ein klein bisschen wie sein Gegenüber wurde. Sicher, Lasciels Schatten war entschlossen, meine unsterbliche Seele in den Abgrund zu reißen, aber es war sinnlos, sie dafür zu hassen. Das würde mich nur selbst mit einem Makel der Dunkelheit beflecken.
    Ich war menschlich, und so würde ich auch bleiben.
    Ich fühlte mich ein wenig mies angesichts der Kreatur, deren einziger Zweck im Universum war, mich in die Finsternis zu locken. Hölle, wenn ich es mir genau überlegte, war das der einzige Job, von dem ich je gehört hatte, der noch einsamer und unbefriedigender war als mein eigener.
    „Wie viele Schatten wie du haben je länger als ein paar Wochen in einem Wirtskörper wie meinem verharrt? Länger als drei Jahre?“
    „Keiner“, erwiderte Lasciels Schatten flüsternd. „Zugegeben, du bist außerordentlich dickschädelig für einen Sterblichen. Fast selbstmörderisch dickschädelig.“
    „Na und?“, fragte ich. „Ich habe schon so lange Stand gehalten. Nehmen wir einmal an, ich schaffe das für immer. Stell dir vor, ich nehme die Münze nie an mich. Dein Schatten-Ich wird sich nie mit deinem wahren Ich vereinen. Wer behauptet, dein Schatten-Ich könne nicht sein eigenes Leben finden?“
    Augen voller Höllenfeuer fixierten mich, doch sie antwortete nicht.
    „Lash“, sagte ich leise und lockerte meinen Griff aus Willenskraft um sie. „Nur, weil du einen Weg eingeschlagen hast, heißt das noch nicht, dass du dich nicht für einen anderen entscheiden kannst.“
    Schweigen.
    Dann drang ihre Stimme als kaum hörbares Flüstern aus der Dunkelheit. „Dein Plan hat zu viele Unsicherheiten und wird wahrscheinlich mit deiner Vernichtung enden. Solltest du meine Hilfe für deinen Irrsinn benötigen, musst du nur rufen.“
    Dann war die Gestalt verschwunden, und Lasciel war nicht länger in meiner Wohnung zu sehen.
    Rein technisch war sie nie dort gewesen. Sie existierte einzig in meinem Kopf, und ebenso rein technisch war sie auch nicht verschwunden. Sie war nur irgendwohin entfleucht, wo ich sie nicht länger wahrnehmen konnte. Doch mein Bauchgefühl – oder mein dunkles Ich – sagten mir, dass sie mich gehört hatte. Ich war zu ihr durchgedrungen. Da war ich sicher.
    Entweder konnte ich Leute verdammt gut überreden, oder ich war ein verdammt eingebildeter Kerl.
    „Reiß dich zusammen, Harry“, schimpfte ich. „Besiege den verdammten gesamten Weißen Hof. Mach dir später Sorgen, wie du es mit der Hölle aufnehmen kannst.“
    Ich ging wieder an

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