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Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Titel: Harry Dresden 09: Weiße Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Verzweiflung säten. Vitto hatte sie alle übertroffen. Er hatte das schlimmste der menschlichen Seele genommen und daraus eine giftige, tödliche Waffe geschmiedet, und ich hatte nicht das Geringste ausrichten können, um ihn aufzuhalten.
    Ich lag einfach nur da, starrte auf Marcones Stoppuhr und wunderte mich, was uns alle zuerst umbringen würde: die Ghule oder die Explosion.

41. Kapitel
    Z wischen 1:34 und 1:33 hielt der rückwärts laufende Zeiger der Stoppuhr unerwartet an. Zumindest schien es so. Doch nach einigen Augenblicken zuckte der Zeiger zur nächsten Sekunde weiter, und das Ticken klang wie ein hohler Schlag. Ich lag einfach nur da, starrte die Uhr an und wunderte mich, wie seltsam mein Hirn auf meinen bevorstehenden Tod reagierte, und dann dachte ich, dass ich nicht den Willen aufbringen konnte, mich über irgendetwas zu wundern, da sich mir ja gerade vor Verzweiflung und Entsetzen der Hals zuschnürte. Vielleicht reagierte ich ja so auf meinen imminenten Tod: durch Verleugnung und selbst eingeredete, realitätsflüchtige Halluzinationen.
    „Nicht ganz, mein Gastgeber“, erschallte Lasciels Stimme.
    Ich blinzelte. Das war mehr bewusste Bewegung, als ich sie noch eine Sekunde zuvor zustande gebracht hätte. Ich versuchte, mich umzusehen.
    „Versuche das nicht“, warnte mich Lasciel mit erregter Stimme. „Du könntest zu Schaden kommen.“
    Was zur Hölle? Hatte sie die Zeit verlangsamt?
    „Zeit gibt es nicht“, sagte sie mit fester Stimme. „Zumindest nicht so, wie du es dir denkst. Ich habe nur für eine gewisse Zeit deine Gedanken beflügelt.“
    Die Stoppuhr gab ein neues Klacken von sich: 1:32.
    Meine Gedanken beflügelt. Das ergab Sinn. Wir benutzten schließlich alle nur zehn Prozent unserer geistigen Kapazität. Es bestand kein Grund, warum es nicht mit viel mehr Aktivität zurecht kommen sollte. Außer, dass …
    „Ja“, sagte sie. „Es ist gefährlich, und ich kann diese Stufe von Hirnaktivität nicht besonders lange aufrecht erhalten, ehe das Gehirn permanenten Schaden erleidet.“
    Ich schätzte, Lasciel würde mir jetzt ein Angebot unterbreiten, das ich nicht ausschlagen konnte.
    Ihre Stimme klang beißend und verdrießlich. „Sei kein Narr, mein Gastgeber. Wenn du stirbst, sterbe auch ich. Ich will dir nur eine Möglichkeit aufzeigen, die uns beiden das Überleben sichern könnte.“
    Na gut, und das hatte nicht etwa durch einen seltsamen Zufall etwas mit einer gewissen Münze in meinem Keller zu tun?
    „Warum bist du nur so stur, mein Gastgeber?“, fragte Lasciel in einem frustrierten Tonfall. „Die Münze zu nehmen macht aus dir doch keinen Sklaven. Es wird keine Auswirkungen auf deine Willensfreiheit haben.“
    Am Anfang bestimmt nicht. Aber es würde damit enden, dass mich die wahre Lasciel versklavte, und das wusste sie.
    „Nicht unbedingt“, sagte sie. Ihre Stimme klang flehend. „Wir können eine Vereinbarung treffen. Einen Kompromiss.“
    Klar, wenn ich jedem ihrer Pläne zustimmte, war sie bestimmt die Freundlichkeit in Person.
    „Aber du würdest leben“, rief Lasciel.
    Es machte keinen Unterschied, wenn man bedachte, dass die Münze im Beton unter meinem Labor begraben war.
    „Das ist kein Hindernis. Ich kann dich innerhalb weniger Sekunden lehren, wie du sie zu dir rufen kannst.“
    Klack: 1:31.
    Ein dumpfer Aufprall hinter mir. Schritte. Die Ghule. Sie kamen. Ich konnte sehen, wie sich Marcones Gesicht unter Vitto Malvoras psychischem Angriff vor Qualen verzerrte.
    „Bitte“, wisperte Lasciel. „Lass mich dir helfen. Ich will nicht sterben.“
    Ich auch nicht.
    Ich schloss die Augen für eine weitere Sekunde.
    Klack: 1:30.
    Es bedurfte einer Willensanstrengung und einiger Augenblicke, ehe ich es schaffte, laut „Nein“ zu wispern.
    „Aber du wirst sterben“, rief Lasciel verzagt.
    Ich würde früher oder später den Löffel abgeben. Doch es musste nicht in dieser Nacht geschehen.
    „Schnell! Du musst dir zuerst ein Bild der Münze vorstellen. Ich kann dir helfen …“
    So nicht. Aber sie konnte mir helfen.
    Grabesstille.
    Klack: 1:29.
    „Ich kann nicht“, wisperte sie.
    Das sah ich anders.
    „Ich kann nicht“, antwortete sie mit erregter Stimme. „Sie würde das nie verzeihen. Sie würde mich nie wieder in sich aufnehmen … nimm einfach die Münze. Nimm die Münze. B... bitte.“
    Ich biss die Zähne zusammen.
    Klack: 1:28.
    Abermals sagte ich: „Nein.“
    „Das kann ich nicht für dich tun!“
    Falsch. Sie hatte mich schon teilweise vor

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