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Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Titel: Harry Dresden 09: Weiße Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Kakophonie schmerzerfüllt auf, was mir eine Sekunde erkaufte, in der ich handeln konnte.
    Ich trat mit beiden Beinen zu und erwischte Vitto an dem Knie, das nicht verbrannt war. Ein Tritt gegen das Knie machte einem Vampir des Roten Hofes nicht das Geringste aus – deren Knie sitzen ohnehin hinten am Bein. Ein Vampir des Schwarzen Hofes wäre höchstwahrscheinlich nur sauer geworden, wenn man ihm mit einer Schrotflinte die Hand weggepustet hätte.
    Doch Vittorio gehörte keinem dieser Höfe an.
    Wenn er sich nicht gerade der Macht bediente, die ihm sein Hunger verschaffte, war er im Großen und Ganzen ein Mensch, und auch wenn ich ein Magier mit allem Brimborium sein mochte, war ich trotzdem ein verdammt großer Kerl. Groß und schlaksig, zugegeben, doch wenn sie erst einmal groß genug waren, konnten auch dürre Wichte verdammt viele Kilos auf die Wage bringen. Außerdem hatte ich starke Beine. Sein Knie knickte nach hinten durch, und er fiel mit einem Schrei zu Boden.
    Ehe er sich erholen konnte, hatte ich mich auf ein Knie erhoben und presste ihm mit dem Schaft an der Schulter die Schrotflinte gegen die Nase. „Zurück mit ihnen!“, rief ich. Ich wollte eigentlich cool und machomäßig klingen, doch irgendwie machte meine Stimme einen überreizten und nicht besonders mit gesundem Menschenverstand belasteten Eindruck. „Befiehl ihnen, sich zurückzuziehen! Jetzt!“
    Vittos Gesicht verzog sich vor Erstaunen und Schmerz. Er blinzelte auf die Schrotflinte, dann in meine Richtung, dann auf den Stumpf seiner Hand.
    Ich konnte die Stoppuhr weder hören noch sehen, aber mein unverzagtes Gehirn spielte zuvorkommend einen prima Toneffekt ein. Ticktickticktickticktick. Wie viel Zeit noch? Unter sechzig Sekunden?
    Um mich herum erholten sich die Ghule von dem überraschenden Schmerz und begannen, gleichmäßig wie schwere Motorräder zu knurren. Ich hielt meine Augen auf ihren Boss gerichtet. Wenn ich mir einen Moment Zeit nahm, um all diese Prachtstücke raubtierhafter Anatomie um mich herum unter die Lupe zu nehmen, die mich jede Sekunde zu Schaschlik verarbeiten würden, musste ich wahrscheinlich weinen, und das wäre unmännlich gewesen.
    „Z... zurück“, stotterte Vittorio. Dann sagte er etwas in einer Sprache, die mir entfernt bekannt vorkam, die ich aber nicht verstand. Er wiederholte sich halb schreiend, und die Ghule wichen einige Zentimeter zurück.
    Ticktickticktickticktick.
    „Folgendes wird jetzt passieren“, erläuterte ich Vitto. „Ich nehme meine Leute. Ich gehe durch das Portal. Ich schließe es. Du bleibst am Leben.“ Ich presste ihm die Schrotflinte in die Fresse, und er zuckte zusammen. „Oder wir gehen zusammen den Jordan hinunter. Ich bin im Augenblick etwas unentschlossen, also überlasse ich die Entscheidung dir.“
    Er leckte sich die Lippen. „Du bluffst. Drück ruhig ab, und die Ghule werden jeden hier kaltmachen. Du wirst sie nicht für das Vergnügen, mich sterben zu sehen, töten.“
    „Es war ein langer Tag. Ich bin zerschlagen. Ich kann nicht klar denken, und wenn ich es richtig sehe, hast du mich ohnehin schon fast erledigt.“ Ich kniff die Augen drohend zusammen und sprach gefährlich leise weiter. „Glaubst du wirklich, ich würde ins Gras beißen, ohne dich mit in den Abgrund zu reißen?“
    Er starrte mich einen Augenblick lang an und leckte sich die Lippen.
    „G... geht“, sagte er dann. „Geht.“
    „Thomas!“, donnerte ich. „Aufwachen! Keine Zeit, hier rumzuliegen und zu sterben.“
    Ich hörte Thomas ächzen. „Harry?“
    „Lara, hörst du mich?“
    „Deutlich“, sagte sie. Thomas’ ältere Schwester war bereits auf den Beinen, und dem Klang ihrer Stimme nach zu schließen stand sie knapp hinter mir.
    „Thomas, schnapp dir Marcone und schaff ihn durch das Tor.“ Ich funkelte Vitto böse an. „Keine Bewegung. Nicht mal ein Wimpernzucken.“
    Vittorio hielt mit schmerzverzerrtem Gesicht beschwichtigend die linke Hand hoch. Er blutete stark und begann zu beben. Ich konnte keine Aufsässigkeit mehr in seiner Miene lesen. Er hatte mir seinen besten Schlag verpasst, und ich hatte ihn einfach abgeschüttelt. Ich hatte ihm eine Heidenangst eingejagt. Seine Hand zu verlieren hatte seine Moral auch nicht wieder aufgebaut. „Nicht schießen“, winselte er. „Einfach … nicht schießen.“ Er warf den Ghulen einen Blick zu. „L... lasst sie gehen.“
    Ich hörte, wie Marcone aufstöhnte und Thomas vor Anstrengung schnaufte. „Gut“, sagte Thomas in meinem

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