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Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Titel: Harry Dresden 09: Weiße Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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würde.)
    Lara sprang an seiner Seite durch die Feinde. Hinter ihr zogen ihr nasses, mitternachtsschwarzes Haar und ihr zerfetzter Seidenkimono Bahnen durch die Luft. Sie hielt Thomas den Rücken frei wie ein Cape, das sich um seine Schultern gelegt hatte. Sie war um keinen Deut schwächer als ihr jüngerer Bruder, ja vielleicht sogar noch etwas schneller, und das geflammte Kurzschwert in ihrer Hand besaß die Neigung, hinter sich ein Meer aus ausgeweidetem Ghulgedärm zu hinterlassen. Zusammen wich das Paar fließend ständigen Angriffen aus und übersäte einen Feind nach dem anderen mit todbringender Gewalt.
    Im Endeffekt war ihr Kampf jedoch ausweglos – und deshalb umso tapferer und ehrfurchteinflößender, da nicht die geringste Möglichkeit eines Triumphes bestand. Egal, als wie tödlich sich Thomas und Lara erweisen würden, oder wie viele Ghule sie heulend auf den Boden schmetterten, das schwarze Blut sickerte unablässig in die gefallenen Körper zurück, und die Ghule, die ausgeschaltet worden waren, setzten sich wieder zusammen, um sich wieder zum Kampf zu erheben. Die meisten warfen sich mit neuer Wildheit und frischem Elan ins Schlachtgetümmel, auch wenn sie auf die eine oder andere Art nach wie vor grässlich verstümmelt waren. Manche schleiften ihr Gedärm wie schleimige Seile hinter sich her. Anderen fehlte ein Teil ihres Kopfes. Zumindest zwei stürzten sich ohne Arme in den Kampf und bissen einfach mit ihren gewaltigen Kiefern und bösartigen Zähnen um sich. Neben der Schönheit der Vampirgeschwister erschienen die deformierten Körper und garstigen Verletzungen der Ghule um so monströser, um so abstoßender.
    „Mein Gott“, flüsterte Marcone. „Das ist der schönste Alptraum, den ich je gesehen habe.“
    Er hatte recht. Es war hypnotisch. „Zeit?“, fragte ich ihn mit rauer Stimme.
    Er warf einen Blick auf seine Stoppuhr. „Eine Minute, achtundvierzig Sekunden.“
    „Thomas!“, brüllte ich. „Lara! Jetzt!“
    Auf dieses Stichwort sprang das Geschwisterpaar in unterschiedliche Richtungen davon, was offensichtlich das letzte war, was die Ghule erwartet hatten, und sprinteten auf das Portal zu.
    Ich wandte mich zum Gehen – doch dann fühlte ich es.
    Einen dumpfen Puls, ein Oszillieren von Kraft, das mir gleichzeitig fremd und vertraut vorkam, ein ekelhaft schwindelerregendes Gefühl, dem ein plötzlicher magischer Ausbruch folgte.
    Es war kein magischer Angriff. Ein Angriff implizierte einen Gewaltakt, den man vorhersagen, neutralisieren oder zumindest abschwächen konnte. Dies hier lief auf einer viel existenzielleren Ebene ab. Es verkündete einfach seine Anwesenheit, und allein durch seine schiere Existenz erzwang es eine neue Realität.
    Eine geistige Klinge hämmerte auf mich ein wie ein körperlicher Angriff – doch es war nicht nur ein Gedanke. Stattdessen war es eine seltsame Mischung, ein wahrer Cocktail an Emotionen, die so greifbar, so schwer waren, dass es mich auf die Knie drückte. Hoffnungslosigkeit durchflutete mich. Ich war so müde. Ich hatte so hart und lange gekämpft und doch nur Chaos gesät. All meine Qualen waren umsonst. Meine einzigen Freunde waren schwer verletzt oder geflohen und hatten mich in diesem Höllenloch zurückgelassen. Die, die nun an meiner Seite standen, waren Bestien der einen oder anderen Couleur – selbst mein Bruder, der sich wieder seiner furchtbaren Art, sich an Menschen zu nähren, zugewandt hatte.
    Danach folgte pure Bestürzung. Ich war gelähmt, während mich Monster umgaben, deren Zähigkeit ich nicht einmal in Worte fassen konnte. Ich war mit dem Gesicht zum Portal gestürzt. Doch jegliche Bewegung lag weit jenseits meiner körperlichen Möglichkeiten, und ich konnte sehen, dass jeder, wirklich jeder auf die Knie gesunken war. Vampire, Sklaven und sterbliche Kämpfer, sie alle waren zu Boden gestürzt.
    Dann überkam mich Schuld. Murph. Carlos. Ich hatte sie auf dem Gewissen.
    Nutzlos. Ich war so nutzlos.
    Marcones Stoppuhr lag neben seiner erlahmten Hand auf dem Boden. Er war neben mir hingefallen. Der Sekundenzeiger raste unaufhörlich weiter, und die Zeitzünder an den C4 Ladungen kaum drei Meter von uns entfernt tickten ebenfalls unablässig.
    Dann dämmerte es mir. Dies war Vitto Malvoras Angriff. Er hatte dieses hässliche, entmutigende Gebräu der dunkelsten Schatten des moralischen Gewissens über uns gegossen, genau wie die Raiths das Sakrament des Verlangens spendeten, die Malvoras Angst schenkten und die Skavis

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