Harry Dresden 09: Weiße Nächte
voller Wucht gegen meinen Schild.
Ich versuchte erst gar nicht, diesem monströsen Vorschlaghammer sich ausbreitender Energie zu widerstehen. Er hätte ohne innezuhalten meinen Schild zerschmettert, das Armband an meinem Handgelenk geschmolzen und mich wie ein Frühstücksei zerquetscht. Den Schild hatte ich aber auch nicht zu diesem Zweck beschworen.
Stattdessen füllte ich den Höhleneingang mit widerstandsfähiger, aber dennoch flexibler Energie, stapelte Schicht um Schicht hinter den Schild und in einer Hülle um uns herum. Ich wollte die Energie der Explosion nicht aufhalten.
Ich versuchte, sie einzufangen.
Kurz drohte eine gewaltige Wucht, alles zu zerquetschen, und ich fühlte den Druck auf meinem Schild wie ein gigantisches, flüssiges Gewicht. Es hob mich von den Beinen, und ich klammerte mich an Lara, die sich ihrerseits an mir festgekrallt hatte. Von den Flammen geblendet wurde ich umher geschleudert, während ich darum kämpfte, den Schild aufrecht zu erhalten, der sich nun um uns zu einer Kugel verhärtete und auf uns einpresste, bis wir Körper an Körper aneinander gequetscht waren. Wir schossen den Gang empor und wurden vor der Explosion hergetrieben, wie ein Segelschiff vor einem Hurrikan – oder vielleicht treffender, wie eine Kugel, die durch den Lauf einer alten Steinschlossmuskete raste. Der Schild prallte gegen die glatten Steinwände und zwang mich zu weiterer, verzweifelter Anstrengung. Ein Felsvorsprung hätte unseren Höllenritt aufhalten können und in einem grauenhaften Aufprall das Gestein, den Schild, den Sukkubus und einen gewissen Magier zu Mus püriert. Gott sei dank hatte die Eitelkeit der Raiths dafür gesorgt, dass die Tunnelwände spiegelglatt abgeschliffen waren.
Ich konnte die Ghule, die im oberen Abschnitt des Tunnels Wache hielten, nicht ausmachen, aber ich fühlte, wie der Schild über sie kam und sie wie Käfer auf einer Windschutzscheibe zermalmte, nur um ihre zerschmetterten Überreste den Flammen zu überlassen. Ich wusste nicht, wie schnell wir waren. Nur das Wörtchen „sehr“ schoss mir durch den Kopf. Die Sprengkraft schleuderte uns aus dem Tunnel durch die Zweige einiger Bäume, die unter dem Aufprall zerbarsten, in den Nachthimmel hinaus. Dann segelten wir durch die Nacht, die Sterne über uns schossen an uns vorbei und eine lange, wütende Flammenzunge leckte uns aus dem Eingang zu der Tiefe hinterher.
Die ganze Zeit über war ich in der Ekstase von Laras Kuss gefangen.
Ungefähr auf dem Zenit unserer Flugbahn verlor ich den Überblick, was vor sich ging, als sich Laras Beine um meine schlangen und sie mein Hemd aufriss, um ihre nackte Brust an meine zu schmiegen. Ich begann gerade, mich zu wundern, welches Detail ich vergessen hatte und warum genau es eine verdammt schlechte Idee war, Lara zu küssen, als uns ein schreckliches Krachen und Tosen umgab, das für einige Augenblicke anhielt.
Wir bewegten uns nicht mehr. Kein Druck lastete mehr auf dem Schild, und ich war so müde und benommen, dass ich keine zwei klaren Gedanken aneinanderreihen konnte. Ich senkte den Schild mit einem erleichterten Stöhnen, das das Keuchen des Sukkubus in meinen Armen übertönte.
„A... aufhören“, stammelte ich. „Lara … hör auf …“
Sie drückte sich enger an mich und teilte meine Lippen mit der Zunge. Ich glaubte schon, ich müsse explodieren, als sie plötzlich ein Zischen ausstieß und mit einer Hand vor dem Mund vor mir zurückwich – doch nicht, bevor ich kurz die Blasen erspähen konnte, die sich auf ihren Lippen gebildet hatten.
Ich kippte um und lag keuchend in der fast vollständigen Dunkelheit. Um uns herum flackerten mehrere kleine Brände. Wir waren in einer Art Haus. Um uns herum war so einiges zu Bruch gegangen.
Ich war sicher, dass man mir dafür die Schuld in die Schuhe schieben würde.
Lara wich von mir zurück und umfasste schaudernd ihre Knie mit den Armen. „Lieber Himme l “, sagte sie nach einem Augenblick. „Ich kann es echt nicht glauben, dass Sie immer noch geschützt sind. Aber der Schutz ist alt … und meine Agenten hätten mich nicht darüber informiert, dass Miss Rodriguez Südamerika verlassen hätte.“
„Hat sie auch nicht“, hustete ich.
„Wollen Sie damit sagen …“ Sie drehte sich zu mir hin und blinzelte verblüfft. „Dresden … wollen Sie mir damit sagen, dass Sie das letzte Mal vor vier Jahren eine Beziehung zu einer Frau hatten?“
„Ernüchternd, nicht?“
Lara schüttelte langsam den Kopf. „Ich
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