Harry Dresden 09: Weiße Nächte
sich über die Reling hochzuziehen.
Ich schmetterte dem am nächsten stehenden Ghul einen weiteren Energiestoß aus meinen Ringen in die Fresse, um ihn in seine Begleiter zu kegeln, doch das erkaufte mir gerade einmal genug Zeit, um meinen Schutzschild in einer Viertelkuppel aus gleißendem Licht hochzureißen. Zwei Ghule mit ihren grässlich grapschenden Pfoten prallten davon ab.
Doch dann hatten sich die Ghule aus dem See hinter meinem Schild an Bord gewuchtet und griffen mich von der Seite an. Krallen schlugen nach mir. Ich spürte einen heißen Schmerz am Kinn aufflackern und dann wuchtige Schläge, als die Krallen über meinen Staubmantel schrammten. Auch wenn sie diesen nicht durchdringen konnten, trafen sie doch mit beachtlicher Wucht, und es fühlte sich an, als ramme mir jemand mehrere abgerundete Besenstielenden in die Seite.
Ich hockte mich hin und trat nach einem Knie. Dieses knirschte, knallte und barst lautstark, was dem Ghul ein wütendes Gebrüll entlockte, doch dann landete sein Begleiter auf mir und zwang mich, meinen linken Arm vor meine Kehle zu werfen, wenn ich nicht wollte, dass er sie mir so mir nichts, dir nichts einfach herausriss. Mein Schild flackerte und fiel in sich zusammen, und die restlichen Ghule stießen Schreie hungriger Vorfreude aus.
Hinter mir hörte ich eine Frau mit klarer, trotziger Stimme schreien. Licht und Schall rasten durch die Luft, und ein grünes Gleißen brach wie eine Sense über den Ghul auf mir herein und trennte ihm feinsäuberlich den Kopf von den Schultern. Stinkendes, braunes Blut schoss in Fontänen empor. Ich stieß den immer noch zuckenden Leib von mir herunter und versuchte, mich auf die Beine zu kämpfen, während Elaine an mir vorbeischritt. Sie ließ die Kette über dem Kopf kreisen und fauchte: „Aerios!“
Etwas, das wie ein Miniaturwirbelsturm aussah, den grünliche Blitze von innen erleuchteten, bildete sich vor ihr in der Luft. Der Babytornado begann sich ohne Umschweife so schnell zu drehen, dass ich wegen des Sogs beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.
Am anderen Ende spie der Zauber die Luft in einer heulenden Windsäule aus, die so stark war, dass sie Ghule wie Popcorn in der Maschine hin und her wirbelte, als sie über das Schiff peitschte. Das hatte den angenehmen Nebeneffekt, dass der dichte, erstickende Rauch von den Treppen nach unten fortgerissen wurde. Mir war nicht aufgefallen, wie schwindlig er mich bereits gemacht hatte.
„Ich kann das nicht lange aufrechterhalten!“, rief Elaine.
Die Ghule begannen zu versuchen, den Zauber zu umgehen, und weitere kletterten die Schiffswände empor, nachdem ich sie in den See geschleudert hatte. Ich konnte nicht mit Feuer um mich werfen, nicht mit all diesen großartigen Holzbooten und Tanks voller Benzin und stolzen Bootsbesitzern um mich herum. Also musste ich mich wohl oder übel auf meinen Stab verlassen und auf Magie weitgehend verzichten. Das war das Schöne, wenn man einen schweren Knüppel mit sich herumschleppte. Bei Bedarf hatte man eine feine Waffe bei der Hand, um Schädel einzuschlagen.
Als die Ghule versuchten, erneut über die Bordwand zu kraxeln, begann ich einfach, „Hau den Lukas“ zu spielen, sobald sich ein Kopf oder eine krallenbewehrte Hand über die Reling schob.
„Thomas!“, schrie ich. „Wir müssen hier weg!“
Ich konnte durch die Rauchschwaden kaum etwas erkennen, doch ich machte die Umrisse mehrerer Ghule aus, die auf den Steg kletterten, um uns vom Ufer abzuschneiden.
„Legen Sie ab!“, rief Elaine.
Das rauchende Gefährt der Ghule knallte tatsächlich gegen das Heck des Wasserkäfers, und der Aufprall zwang mich, mich am Brückenhäuschen festzuklammern, um nicht zu fallen. Kurz darauf flog ich in die Gegenrichtung, als der Wasserkäfer gegen den Steg prallte. „Keine Chance! Die sind zu nah!“
„Runter!“, befahl Thomas, und ich spürte, wie seine Hand kräftig an meiner Schulter riss. Ich duckte mich und sah den blauen Stahl seiner abgesägten Schrotflinte an meinem Gesicht vorbeizucken. Das Monstrum bellte ohrenbetäubend laut auf, und ich war sicher, auf diesem Ohr wohl für eine Weile nichts mehr zu hören.
Der Schuss traf einen Ghul, der es irgendwie geschafft hatte, sich auf das Dach der Brücke zu schleichen und der mir gerade ins Kreuz springen wollte.
„Au!“, rief ich Thomas zu. „Vielen Dank!“
„Harry!“, brüllte Elaines hohe, jetzt verzweifelte Stimme.
Ich sah an ihr vorbei und musste feststellen, dass ihr
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