Harry Dresden 09: Weiße Nächte
ich.
„Harry“, sagte Elaine, „das hier sind einige der vermissten Frauen.“
Ich verdaute das kurz, dann wandte ich mich an Thomas. „Was zum Geier läuft denn bei dir? Warum hast du mir nicht gesagt, was hier abgeht?“
Mit immer noch leicht verschwommenem Blick entgegnete er: „Hatte meine Gründe. Wollte dich nicht mit reinziehen.“
„Nun, betrachte mich als offiziell mit reingezogen“, knurrte ich. „Wie wäre es, wenn du mir jetzt erzählst, was läuft?“
„Du warst bei mir daheim“, antwortete Thomas. „Du hast die Wand in meinem Gästezimmer gesehen.“
„Ja.“
„Man hat sie gejagt. Ich musste herausfinden, wer hinter ihnen her war. Warum. Ich hab’s durchschaut, zumindest gut genug, um vorhersagen zu können, wer in Lebensgefahr schwebte, und dann wurde es zu einem Wettrennen.“ Er sah zu den Frauen und Kindern hinüber. „Ich habe alle aus der Schusslinie gebracht, die mir möglich waren. Habe sie hergebracht.“ Er versuchte, den Kopf zu bewegen und verzog das Gesicht. „Nnngh. Ein weiteres Dutzend befindet sich in einer kleinen Hütte auf einer Insel etwa zwanzig Meilen von hier.“
„Ein geheimer Unterschlupf“, schlussfolgerte ich. „Du brachtest sie zu einem geheimen Unterschlupf.“
„Ja.“
Elaine starrte die Frauen und Thomas eine Weile unverwandt an. „Olivia“, fragte sie. „Sagt er die Wahrheit?“
„S... soweit ich weiß“, stammelte das Mädchen. „Er war die ganze Zeit ein zuvorkommender Mann.“
Ich war sicher, dass es sonst niemandem auffiel, aber bei ihren Worten blitzte in Thomas’ Augen ein kalter, zorniger Hunger auf. Er mochte die Frauen höflich und freundlich behandelt haben, doch ich wusste, dass das einem Teil von ihm widerstrebte. Er schloss fest die Augen und zwang sich, gleichmäßig zu atmen. Ich erkannte sofort das Ritual, das er benutzte, um die Schattenseiten seines Wesens in Schach zu halten, doch ich erwähnte es nicht weiter.
Elaine flüsterte mit Olivia, die mit einer Vorstellungsrunde begann. Ich lehnte mich an eine Wand, aber da wir uns auf einem Schiff befanden, muss ich wohl Planken dazu sagen, und rieb mit meinen Fingern über die Stelle zwischen meinen Augenbrauen, wo bereits fiese Kopfschmerzen aufzogen. Dieser verdammte, ölige Rauch von diesem putternden Motor ganz in der Nähe machte die Sache auch nicht besser, und …
Mein Kopf fuhr herum, und ich hastete die Treppe empor an Deck.
Das große, hässliche Boot hatte abgelegt und dümpelte jetzt direkt neben dem Wasserkäfer vor sich hin, dem es die Ausfahrt auf den See hinaus versperrte. Aus dem Maschinenraum quoll so viel schwarzblauer Rauch, dass es sich um Absicht gehandelt haben musste. Atemraubende Schwaden hatten sich bereits über den Wasserkäfer gelegt, und ich konnte nicht mehr weiter sehen als einige Anleger.
Eine Gestalt stieß sich vom gegenüberliegenden Deck ab, um in einer raubkatzengleichen Hocke auf dem offenen Hinterdeck des Wasserkäfers aufzukommen. Noch während ich sie beobachtete, begannen sich ihre Züge, die eines nichtssagenden Mannes Mitte dreißig, zu verändern. Der Kiefer streckte sich, und das Gesicht dehnte sich zu einer Art Schnauze, seine Unterarme wurden länger und die Nägel zu schmutzigen Klauen.
Er drehte sich in meine Richtung, seine Schultern verzogen sich zu Knotensträngen kräftiger Muskeln, er fletschte die Zähne und stieß ein geräuschvolles Brüllen aus.
Ein Ghul. Ein zäher, gefährlicher Feind, doch einer, dessen man durchaus Herr werden konnte.
Dann zeigten sich weitere Gestalten auf dem Deck gegenüber, halbverborgen hinter einem Schleier aus Rauch. Auch deren Extremitäten verzogen sich mit einem knackenden Bersten, und ein gutes Duzend weiterer Ghule riss die Mäuler auf, um den ohrenbetäubenden Schrei des ersten zu beantworten.
„Thomas!“, brüllte ich halb erstickt durch den Rauch. „Wir haben ein Problem!“
Dreizehn Ghule warfen sich mit weit aufgerissenen, sabbernden Mäulern, zuckenden Krallen und blutdürstig glänzenden, zornigen Augen auf mich.
Scheißboote.
21. Kapitel
I m Großen und Ganzen hatte ich in meiner bisherigen Dienstzeit als Wächter des Weißen Rates nicht besonders viel Spaß gehabt. Ich hatte es nicht genossen, ein Soldat im Krieg gegen die Vampirhöfe zu werden. Einen Kampf gegen die Kräfte des …
Ich wollte eigentlich schon „Bösen“ sagen, aber ich war mir selbst nicht mehr ganz sicher, wo ich auf dem Jedi-Sith-Index zu finden war.
Mit den Mächten zu kämpfen,
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