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Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Titel: Harry Dresden 09: Weiße Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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hatte, in die richtige Richtung deutete. Da fiel mir noch etwas auf.
    Es war noch jemand auf dem anderen Boot, um den Wasserkäfer gegen die Anlegestelle zu drücken. Jemand, der die Ghule hierher geschippert hatte. Jemand, der in Thomas’ Nähe auf der Lauer gelegen hatte. Ghule waren für sich genommen ein Wirbelsturm der Vernichtung, aber ihre Stärke lag nicht gerade im Ausfeilen teuflischer Pläne, ohne dass jemand ihnen die Richtung wies. Sie hätten sich niemals die Mühe gemacht, eine Nebelwand aus Rauch zu legen. Also war auf dem Boot kein Ghul.
    Graumantel? Oder sein Busenfreund, der Beifahrer?
    Noch etwas schoss mir durch den Kopf: Uns blieben nicht einmal Minuten, ehe uns der Rauch ersticken würde. Sobald die Einsatzkräfte hier auftauchten, würde der, der die Ghule befehligte, diese zu einem koordinierten Sturmangriff anstacheln, und das wäre es dann.
    Die wirbelnde Pranke eines Ghuls peitschte über Thomas’ Hose und hinterließ tiefe Risse in seiner Wade. Eine halbe Sekunde lang verlor er das Gleichgewicht, fing sich wieder und kämpfte einfach weiter, als sei nicht das Geringste geschehen – doch Blut, das ein wenig zu hell war, um es für menschliches zu halten, tropfte beständig auf die Planken des Wasserkäfers.
    Ich biss die Zähne zusammen, als die Macht in meinem Inneren immer weiter anschwoll. Die Härchen an meinen Armen standen ab, und ein summender Druck hatte sich auf meine Trommelfelle gelegt. Meine Muskeln zogen sich zusammen, und fast hätten sie sich wie bei einem epileptischen Anfall in Zuckungen verkrampft. Sterne tanzten vor meine Augen, als ich den Sprengstock hob.
    „Harry!“, keuchte Elaine. „Sei kein Idiot. Du wirst uns noch alle töten!“
    Ich hörte ihre Worte, doch ich war zu weit in den Zauber eingetaucht, um noch antworten zu können. Es musste einfach klappen. Das hatte es in der Vergangenheit bereits getan. Also sollte es theoretisch jetzt auch hinhauen, wenn auch in größerem Maßstab.
    Ich hob Gesicht und Sprengstab gen Himmel, öffnete den Mund und brüllte mit schallender Stimme: „Fuego!“
    Flammen brachen explosionsartig aus der Spitze des Sprengstocks, eine weißglühende Feuersäule vom Durchmesser meiner Hüfte. Sie rauschte in den Rauch empor, verzehrte ihn auf ihrem Weg gen Himmel und erhob sich wie ein Geysir aus Feuer gut zwanzig Stockwerke hoch.
    Alle Magie gehorchte gewissen Grundprinzipien, von denen viele das gesamte Spektrum der Realität abdeckten, sei es nun physikalisch, arkan oder sonst etwas. Was das Weben von Zaubersprüchen anging, war das wichtigste Prinzip die Energieerhaltung. Man konnte Energie nicht einfach erschaffen. Wenn man eine zwanzig Stockwerke hohe Säule aus Flammen herbeirufen wollte, die heiß genug war, um Stahl zu vaporisieren, musste die Energie für dieses Feuer irgendwoher kommen. Meine eigene Energie, die ich am ehesten noch mit schierer Willenskraft umschreiben kann, nährte die meisten meiner Zauber. Aber die Energie für solche Zauber konnte auch von außerhalb der Kraftreserven des Magiers stammen.
    Dieser Spruch zum Beispiel schöpfte seine Kraft aus der Hitzeenergie, die im Wasser des Michigansees gespeichert war.
    Das Feuer brandete in einer tosenden Explosion sich plötzlich ausbreitender Luft nach oben, und die folgende Schockwelle ließ alle in verdutztem Schweigen an Ort und Stelle erstarren. Der See stieß plötzlich ein ungerichtetes, knirschendes Fauchen aus. Das Wasser, das sich noch vor einem Sekundenbruchteil zwischen mir und dem nächsten Dock erstreckt hatte, erstarrte urplötzlich zu einer harten, weißen Eisschicht.
    Ich taumelte vor Mattigkeit. Soviel Energie zu kanalisieren hatte eine schockartige Erschöpfung zur Folge, die Kraft verließ meine Gliedmaßen, und ich konnte mich kaum auf den Beinen halten.
    „Geht!“, rief ich Olivia zu. „Rennt übers Eis. Rennt zum nächsten Dock! Frauen und Kinder zuerst!“
    „Tötet sie!“, hallte die Stimme eines Mannes aus der Richtung des angreifenden Bootes.
    Die Ghule jaulten auf und sprangen nach vorn, da sie zornentbrannt mit ansehen mussten, wie ihre Beute entkam.
    Ich lehnte mich auf die Reling und blickte Olivia und Begleitung bei ihrer Flucht hinterher. Sie glitten immer wieder aus, als sie übers Eis hasteten. Unter ihren Füßen knackte das Eis protestierend. Langsam, aber unaufhaltsam breiteten sich Haarrisse wie feine Spinnennetze aus.
    Ich biss die Zähne zusammen. Auch wenn der Michigansee ein Kaltwassersee war, hatten wir doch

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