Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
…“
Das Telefon begann zu klingeln. Ich hatte ein Verlängerungskabel von der Buchse im Schlafzimmer verlegt, nachdem sich Molly fast das Genick gebrochen hatte, als sie die Klappleiter hinaufgewieselt war, um einen Anruf entgegenzunehmen. Die alte Aufziehuhr auf dem Regal verriet mir, dass es nach Mitternacht war. Niemand rief mich so spät an, außer es war etwas Schlimmes.
„Erinnere mich später an den Gedanken“, trug ich Bob auf.
„Ich bin’s“, sagte Murphy, als ich abhob. „Ich brauche dich.“
„Sergeant, ich bin äußerst gerührt“, antwortete ich. „Endlich gestehen Sie sich die Wahrheit ein. Stichwort Kuschelrock.“
„Ich meine es ernst“, entgegnete sie. Etwas in ihrer Stimme klang angestrengt und müde.
„Wo?“, fragte ich.
Sie gab mir eine Adresse, und wir legten auf.
Ich bekam kaum noch Arbeit von der Polizei von Chicago, und wenn man noch meine dauernden Reisen in andere Städte und meine Pflichten als Wächter ins Kalkül zog, hatte ich mich in der letzen Zeit als Privatermittler nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Die Unterstützung, die mir als Wächter des Weißen Rates zustand, hatte mich vor dem Bankrott bewahrt, doch war mein Konto auf einen Stand zusammengeschmolzen, bei dem ich mir alle Mühe geben musste, damit keiner meiner Schecks platzte.
Ich brauchte Arbeit.
„Das war Murphy“, sagte ich, „die mich zur Pflicht rief.“
„So spät in der Nacht hätte ich nichts anderes erwartet“, pflichtete Bob bei. „Pass noch etwas mehr als sonst auf deinen Allerwertesten auf, Boss.“
„Warum sagst du das?“, wollte ich wissen, während ich in meinen Mantel schlüpfte.
„Ich weiß nicht, ob du das norwegische Märchen gelesen hast“, erklärte Bob, „aber wenn du dich daran erinnern solltest, vergiss nicht, dass dort die Geißlein eine ganze Reihe von Brüdern waren.“
„Oh ja“, seufzte ich, „und jeder davon größer und gemeiner als der letzte.“
Ich fuhr los, um Murphy zu treffen.
Werziegen. Mein Gott.
4. Kapitel
I ch stand mit allen anderen herum und sah mir die Flammen an, als der Streifenpolizist Murphy zu mir führte.
„Wird auch langsam Zeit“, stieß sie mit angestrengter Stimme hervor. Sie hob das Absperrband an und gab mir ein Zeichen, darunter hindurchzuschlüpfen. Ich hatte längst meinen kleinen, laminierten Beraterausweis an das Revers meines Staubmantels geklemmt. „Warum hast du so lang gebraucht?“
„Der Schnee ist fast dreißig Zentimeter hoch, und es macht nicht die geringsten Anstalten, zu schneien aufzuhören“, erwiderte ich.
Sie sah zu mir auf. Karrin Murphy war ein winziges Persönchen, und der schwere Wintermantel, den sie trug, ließ sie noch kleiner aussehen. Die riesengroßen Watteschneeflocken, die nach wie vor herabrieselten, hafteten an ihrem goldenen Haar und glitzerten an ihren Wimpern, was ihren Augen einen gletscherblauen Ton verlieh. „Ist dein Spielzeugauto etwa in einer Schneewehe hängen geblieben? Was ist mit deinem Gesicht passiert?“
Ich ließ meinen Blick über die Normalsterblichen schweifen. „Ich hatte eine Schneeballschlacht.“
Murphy grunzte. „Ich schätze, du hast verloren.“
„Du hättest den anderen Kerl sehen sollen.“
Wir standen vor der Vorderfront eines kleinen, fünfstöckigen Wohngebäudes, das jemand in die Luft gejagt hatte.
Die Fassade des Gebäudes war einfach verschwunden, als hätte sie jemand mit einer gigantischen Axt abgetrennt. Man sah die verschiedenen Stockwerke und das Innere mehrerer leerer Wohnungen, wenn man es schaffte, die Nebelwand aus Staub, Rauch und fallendem Schnee mit seinem Blick zu durchdringen. Im Haus loderten mehrere Brände, die aber durch den Dunst aus Rauch und dicht fallendem Schnee kaum auszumachen waren. Trümmer hatten sich über die Straße ergossen und selbst die Häuser auf der anderen Seite beschädigt, und die Polizei hatte einen gesamten Straßenblock abgeriegelt. Zerborstenes Glas und Ziegel waren überall verstreut. Der Mief brennender Materialien, die nie dazu gedacht gewesen waren, ein Feuer zu speisen, hing stechend in der Luft.
Trotz des Wetters hatten sich einige hundert Leute an der Polizeiabsperrung versammelt. Eine geschäftstüchtige Seele verkaufte Kaffee aus einer riesigen Thermoskanne, und ich war nicht zu stolz, ein paar Dollar für einen Becher brodelnden Göttertrankes, etwas Kaffeeweißer und ein Päckchen Zucker auszuspucken.
„Ganz schöne Menge Feuerwehrautos“, bemerkte ich. „Aber nur ein
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