Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
das mitten im Winter in einem Schneesturm. Die Kälte kroch meine Gliedmaßen entlang auf meine Brust zu, und ich rollte mich zu einem Ball ein, weil mir kaum eine andere Wahl blieb. Magie war keine Option. Mein handtellergroßer Feuerball würde sich mit einem ruckelnden Auto überhaupt nicht vertragen, und wenn ich bedachte, wie sehr ich ohnehin schon zitterte … Ich wollte mich aufwärmen, und mich nicht selber abfackeln.
„M... m... m... manchmal i... i... i... ist R... R... R... Ritterlichkeit s... s... s... sowas v... v... v... von Sch... Sch... Sch... Scheiße“, grummelte ich mit klappernden Zähen in Mouses Ohren.
Mein Hund, dessen dichter Winterpelz ihm auch keinen besonders guten Dienst mehr leistete, seit er völlig durchnässt war, schmiegte sich unter der groben Decke ebenso fest an mich wie ich mich an ihn, während in der Fahrerkabine die Heizung schnurrte und die Fenster langsam beschlugen. Ich fühlte mich wie ein Dickens-Charakter. Kurz war ich versucht, das alles Mouse zu erklären, einfach nur um meine Gedanken beschäftigt zu halten, aber er litt schon genug, ohne dass ich ihm Dickens aufzwang, und sei es nur stellvertretend. Also brachten wir die Fahrt in armseligem, kameradschaftlichem Schweigen hinter uns. Vielleicht rasten Blaulichter an uns vorbei. Ich war aber zu sehr damit beschäftigt, die rhythmischen Krämpfe jeder Muskelzelle meines Körpers zu genießen, um mich um solche Nebensächlichkeiten zu kümmern.
Nach etwa einer halben Minute Fahrzeit war ich mir sicher, dass ich einfach das Bewusstsein verlieren und fünfhundert Jahre später in der Zukunft wieder erwachen würde, aber wie es sich herausstellte, musste ich nur zwanzig quälende Minuten lang leiden, ehe Michael vor meiner Wohnung anhielt.
Beide Wagentüren öffneten sich, und ich konnte die erschöpfte, aber dennoch gebieterische Stimme Luccios hören. „Bringen Sie ihn zur Tür, solange er uns noch durch seine Schutzzauber lotsen kann.“
„Mir geht’s gut“, versicherte ich, als ich aufstand. Doch irgendwie hörte es sich eher wie: „Mmmmmmnnnnnngh!“ an, und als ich mich aufrichtete, wäre ich um ein Haar vom Laster gepurzelt. Michael fing mich auf, und Kincaid eilte herbei, um ihm zu helfen, mich vom Boden aufzuheben.
Verschwommen bekam ich mit, wie eine von Kincaids Händen in meine Manteltasche fuhr und leer wieder zum Vorschein kam. „Hurensohn“, grinste er. „Wusste ich es doch.“
Luccio stieg aus der Fahrerkabine und trug die schlaffe Gestalt des Archivs auf ihrer Hüfte. Die Arme und Beine des Mädchens wippten, sein Mund war im Schlaf geöffnet und seine Wangen tief rosa angelaufen. „Hoch, Dresden“, forderte sie mich auf. Ihre Stimme war fest, doch auch wenn sie sich während der Fahrt aufgewärmt hatte, war sie immer noch so durchnässt wie am Bahnhof, und ich sah ihre Knie zittern, als die Kälte ihre Zähne in sie grub. „Beeilung.“
Ich bewegte die Füße in einem unsicheren Schlurfen und erinnerte mich irgendwann, dass es ratsam ist, einen nach dem anderen zu bewegen, wenn man gehen wollte. Dies verbesserte unser Vorwärtskommen ungemein. Wir erreichten die Tür, und irgendjemand faselte etwas von gefährlichen Schutzzaubern.
„Kein Scheiß“, dachte ich. „Ich habe ein paar Schutzzauber in meiner Wohnung installiert, die einen zu einem fettigen Fleck auf dem Boden verschmoren können. Aber Leute, ihr solltet echt mal sehen, was Gard so draufhat.“
Luccio schrie mir etwas über Schutzzauber ins Ohr, und irgendwie sah sie aus, als friere sie. Ich hatte einen Kamin in der Wohnung, den sie benutzen konnte. Ich öffnete die Tür für sie, wie man das für eine Dame tat, aber das verdammte Ding klemmte auf halbem Weg, bis Michael es mit der Schulter aufstieß und etwas Unfreundliches über Amateurbastler murmelte.
Danach waren die Dinge etwas verschwommen, und meine Arme und Beine schmerzten.
Schließlich schoss mir jedoch ein Gedanke durch den Kopf: „Alter Schwede, fühlt sich meine Couch prima an.“
Mouse beschnüffelte mein Gesicht und hätte mich fast zerdrückt, als er seinen Kopf und einen Großteil seines Oberkörpers auf mich legte. Ich wollte ihm einen Satz heiße Ohren dafür verpassen, doch dann entschied ich mich für eine Mütze voll Schlaf.
Finsternis folgte.
Ich erwachte in einem Raum, der nur durch das Glosen in meinem Kamin beleuchtet wurde. Es war brütend heiß, und meine Finger und Zehen kribbelten unangenehm. Ein sanftes Gewicht drückt auf mich herab.
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