Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
nun haben musste.
Ich dachte an einen kleinen, alten Mann aus Okinawa, der sein Leben für mich geopfert hatte.
„Wir“, hob ich schließlich an, „sind beide bereit, Dinge für unsere Ziele aufzugeben.“
Nikodemus legte den Kopf zur Seite und wartete ab.
„Aber wir haben völlig andere Vorstellungen davon, wenn es darum geht, wer entscheidet, wer das Opfer durchführen und wer es bringen soll.“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein.“
Er atmete langsam und tief ein. „Schade. Guten Abend, Dresden. Viel Glück in der neuen Welt. Aber ich rechne nicht damit, dass wir einander in diesem Leben noch einmal begegnen.“
Er wandte sich ab.
Mein Herz pochte wieder heftiger.
Shiro hatte gesagt, ich würde wissen, wem ich das Schwert geben sollte.
„Warten Sie“, sagte ich.
Nikodemus blieb stehen.
„Ich habe mehr zu bieten als Münzen.“
Er drehte sich um, sein Gesicht war eine steinerne Maske.
„Sie geben mir Ivy, und ich gebe Ihnen elf Münzen“, sagte ich leise, „und Fidelacchius.“
Nikodemus erstarrte. Sein Schatten wand sich zuckend. „Sie haben das Schwert?“
„Ja.“
Wieder ertönte dieses hässliche Zischen, diesmal jedoch lauter und gehetzter. Mit gerunzelter Stirn blickte Nikodemus auf seinen Schatten hinab.
„Angenommen, Sie bekommen Ivy“, sagte ich. „Angenommen, Sie schaffen es tatsächlich, sie umzudrehen und zu kontrollieren. Ganz schön große Intrige. Angenommen, sie bekommen Ihre Apokalypse und Ihr Neomittelalter. Glauben Sie, das wird die Ritter aufhalten? Denken Sie nicht, dass immer wieder neue Menschen die Schwerter ergreifen werden, einer nach dem anderen? Glauben Sie wirklich, dass der Himmel einfach nur zusieht, wie Sie sich nehmen, was Sie wollen?“
Nikodemus besaß ein weit besseres Pokerface als ich, doch er hatte angebissen. Er hörte konzentriert zu.
„Wie oft haben Ihnen die Schwerter bei Ihren Plänen schon einen Strich durch die Rechnung gemacht?“, fragte ich. „Wie oft haben sie Sie gezwungen, eine Position aufzugeben?“ Ich schoss ins Blaue und hoffte, ins Schwarze zu treffen. „Sind Sie es nicht leid, ständig von dem Alptraum aufzuwachen, dass sich ein Schwert in Ihr Herz oder Ihren Hals bohrt? Dass sie zu einem weiteren weggeworfenen Pappbecher der Gefallenen werden? Haben Sie keine Angst, was auf Sie wartet, wenn Sie dieses sterbliche Jammertal hinter sich lassen?
Ich habe das Schwert“, sagte ich, „und ich bin bereit, sowohl die Münzen als auch das Schwert einzutauschen.“
Er zeigte mir die Zähne. „Nein, sind Sie nicht.“
„Ich bin genauso gewillt, Ihnen das Schwert und die Münzen zu überlassen, wie Sie mir das Archiv“, sagte ich. „Ich biete Ihnen eine Gelegenheit. Eine Gelegenheit, eines der Schwerter für immer zu zerstören. Wer weiß? Wenn sich die Dinge gut entwickeln, erwischen Sie vielleicht noch ein oder zwei der anderen.“
Das Geflüster wurde immer lauter und nervöser.
Nikodemus blickte mich an. Ich konnte seinen Ausdruck nicht lesen, doch seine rechte Hand ballte sich langsam zur Faust, um sich dann wieder zu entspannen, als giere er nur danach, nach einer Waffe zu greifen. Verbitterung strahlte von ihm aus wie Hitze von einem Ofen.
„Also?“, fragte ich so gleichgültig wie möglich. „Wo wollen Sie den Austausch abhalten?“
38. Kapitel
E in paar Minuten später ging ich mit Mouse zum Haus zurück. Michael hatte recht gehabt: Bevor wir eintraten, schüttelte sich der große Hund gründlich. Ich beschloss, seinem Beispiel zu folgen, stampfte so viel Schnee wie möglich von meinen tauben Füßen und ging ins Innere.
Ich stapfte ins Wohnzimmer, wo alle anderen schon auf mich warteten – Luccio, Michael, Molly, Sanya und natürlich Murphy. Sie alle beäugten mich gespannt.
„Er ist darauf eingegangen. Wir müssen unsere Hintern in ein paar Minuten in Bewegung setzen. Aber zuerst muss ich mit dir reden, Michael.“
Michael zog die Brauen hoch. „Sicher.“
„Allein“, sagte ich leise, „und bring dein Schwert mit.“
Ich drehte mich um, stapfte durch das Haus, durch die mit Mühe und Not funktionierende Hintertür, die das Geißlein am Anfang dieses Debakels demoliert hatte, und weiter zur Werkstatt. Ich blieb nicht stehen, um mich umzusehen. Ich brauchte keinen Blick zurückzuwerfen, um zu wissen, dass alle bedeutungsvolle Blicke wechselten.
Falls Nikodemus wirklich Männer im Baumhaus gehabt hatte, waren sie nun verschwunden. Ich hätte es dem Bastard zugetraut, wenn er in dieser Hinsicht
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