Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
hatte. „Du kennst mich jetzt schon seit Jahren, Alter. Wir haben einander doch schon so oft gegenseitig den Rücken freigehalten. Warum zweifelst du an mir?“
„Wegen Lasciels Schatten“, erwiderte Michael leise. „So lange er in dir steckt, wird er dich in Versuchung führen – und je länger er bleibt, umso besser wird ihm das möglich sein.“
„Ich habe Forthill die Münze gegeben“, gab ich zu bedenken. „Damit sollte alles gesagt sein.“
Michael schnitt eine Grimasse. „Der Schatten kann dir zeigen, wie man die Münze beschwört. Das ist bereits ein paar Mal geschehen. Deswegen achten wir auch so darauf, sie nicht zu berühren.“
„Es ist vorbei. Es gibt keinen Schatten mehr.“
Michael schüttelte den Kopf, und seine Augen füllten sich mit so etwas wie Mitleid. „So funktioniert das nicht.“
Der Zorn loderte wieder auf. Das einzige, was ich weder wollte noch brauchte, war Mitleid. Ich hatte Entscheidungen getroffen, mein Leben gelebt, und auch wenn es nicht immer die klügsten Entscheidungen gewesen waren, bereute ich doch die wenigsten. „Woher willst du das wissen?“, fragte ich.
„Weil in zweitausend Jahren noch nie jemand selbstständig den Schatten eines Gefallenen losgeworden ist – außer dadurch, den Dämon vollständig in sich aufzunehmen, die Münze zu ergreifen, das zu bereuen und sie wegzuwerfen, und du behauptest, dass du niemals die Münze an dich genommen hast.“
„Das stimmt“, sagte ich.
„Dann ist der Schatten noch da“, fuhr Michael fort, „und verdreht deine Gedanken. Flüstert dir immer noch zu. Oder du hast mich belogen, was die Münze anbelangt. Es gibt nur diese zwei Möglichkeiten.“
Ich starrte ihn einen Augenblick lang an. „Herrjemine, ich dachte immer, Magier hätten ein Monopol auf Arroganz.“
Er blinzelte.
„Oder soll ich wirklich glauben, die Kirche sei immer da gewesen, um jedesmal fein säuberlich zu dokumentieren, wenn jemand eine verfluchte Münze aufgehoben hat? Habe jeden begleitet, der von einem Gefallenen in Versuchung geführt worden ist, um einen Augenzeugenbericht aus ihm herauszukitzeln? Habe Kopien gemacht und sie notariell beglaubigen lassen? Vor allem, wo du mir erzählt hast, welche Mühe sich Nikodemus all die Jahre gemacht hat, um die Aufzeichnungen und Archive der Kirche zu vernichten.“
Michael verlagerte sein Gewicht auf seine Fersen. Eine Denkfalte bildete sich auf seiner Stirn.
„Das ist genau, was sie wollen, Michael: dass wir uns gegenseitig an die Kehle gehen. Dass wir einander misstrauen.“ Ich schüttelte den Kopf. „Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, ihnen eben das zu geben.“
Michael verschränkte die Arme und fixierte mich. „Es könnte etwas mit deinem Geist angestellt haben“, sagte er leise. „Vielleicht kontrollierst du dich schon nicht mehr selbst, Harry.“
Ich atmete tief ein. „Das … ist möglich“, gestand ich ein. „Man kann mit jedermanns Gedanken herumpfuschen. Aber wenn man jemandes Gehirn neu verdrahtet, verursacht das üblicherweise bösen Schaden. Je größer die Veränderungen, desto größer die Unordnung im Geist des Betroffenen.“
„Wie es Molly ihren Freunden angetan hat“, sagte Michael. „Ich weiß.“
„Es gibt immer Anhaltspunkte“, fuhr ich fort. „Wenn du eine Person gut genug kennst, bemerkst du immer Anhaltspunkte. Sie verhalten sich anders. Habe ich mich anders aufgeführt? Sind meine Sicherungen durchgebrannt?“
Er zog eine Braue hoch.
„Mehr als gewöhnlich“, fügte ich hinzu.
Er schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Die Chancen stehen gut, dass niemand in meiner Birne herumgefuhrwerkt hat“, sagte ich. „Außerdem ist das nicht gerade etwas, was man so einfach übersieht, und als Spitzenmagier des Weißen Rates versichere ich dir, dass mir so etwas nicht passiert ist.“
Er musterte mich kurz und sah aus, als wollte er etwas sagen, doch er unterließ es.
„Was uns zum Thema zurückbringt“, sagte ich. „Glaubst du, ich sei zu denen übergelaufen? Glaubst du, dazu wäre ich nach allem, was ich mit eigenen Augen gesehen habe, fähig?“
Michael seufzte. „Nein.“
Ich trat auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Dann vertrau mir bitte noch ein wenig länger. Hilf mir noch etwas länger.“
Erneut erwiderte er meinen Blick. „Das werde ich“, flüsterte er, „wenn du mir eine Frage beantwortest.“
Ich runzelte die Stirn und legte den Kopf zur Seite. „Gut.“
Er holte tief Luft und betonte jedes Wort
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