Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
umgehst?“
So fern vom Ufer, auf so viel Wasser schaukelnd, hätte ich die größten Schwierigkeiten gehabt, auch nur irgendeinen Zauber zu weben – doch ich war mir sicher, dass Rosanna das selbst nur zu gut wusste, wenn die Flammen, die sie im Aquarium um sich geworfen hatte, auch nur den kleinsten Hinweis boten. Es wäre eine Vergeudung von Energie gewesen, die ich später wahrscheinlich bitter nötig hatte. Doch dann bläute ich mir ein, dass ja angeblich Eiswasser durch meine Adern schoss.
„Hauptsächlich bin ich der Meinung, dass Knicklichter unglaublich Spaß machen“, erklärte ich. „Hast du gewusst, dass sie die Dinger benutzt haben, um das Blut des Predators in diesem Arnold-Schwarzenegger-Streifen darzustellen?“
Ihr Lachen erstarb. „Wovon redest du?“
„Das ist das Problem mit euch annähernd unsterblichen Typen“, seufzte ich. „Euch fällt eine Anspielung auf die Popkultur nicht einmal auf, wenn sie euch ins Gesicht springen würde, um einen Embryo in euren Schlund zu pflanzen.“
Hinten im Boot begann Sanya zu prusten.
Rosanna starrte mich kurz mit unlesbaren Augen an. Dann legte sich ein leiser Anflug von Trauer über ihre Züge, und sie wandte sich ab. Sie trat an den Bug und blickte nach Osten ins Dunkel. Unsicher hatte sie die Arme vor ihrem Körper fest übereinandergeschlagen und ihre Flügel wie ein Cape schützend um sich gelegt.
Das entging Sanya nicht. Er hatte sich zwingen müssen, ein Feixen zu unterdrücken, das sich aber angesichts von Rosannas Unbehagen sofort in Luft auflöste. Kurz machte er den Anschein, als wolle er etwas sagen, doch dann runzelte er die Stirn und schüttelte den Kopf. Er wandte den Kopf ab, um erneut aufs Wasser hinauszustarren. Große Schneeflocken rieselten unablässig vom Himmel und gleißten im Schein meines Knicklichtes wie grüne Kristalle auf. Michael summte geduldig eine Melodie vor sich hin – „Amazing Grace.“ Offenbar hatte er das Lied von irgendwelchen Baptisten aufgeschnappt. Er besaß eine volltönende, feste Singstimme.
Ich trat neben Rosanna und sprach sie leise an. „Verrate mir eines. Diese Trauernde-Jungfer-Show, die du da abziehst – wie viele Ritter hast du damit umgebracht?“
Beide Augenpaare blickten kurz in meine Richtung, um dann wieder in die Nacht hinauszustieren. „Wie meinst du das?“
„Du weißt schon. Diese hübsche Aura der Traurigkeit, die du da am Start hast. Du siehst so niedergeschlagen, tragisch und unwiderstehlich aus. Du strahlst ja förmlich Rettet-mich-rettet-mich-Schwingungen aus. Das bringt wahrscheinlich jede Menge junger Männer dazu, auf einem weißen Ross heranzugaloppieren, um mit dir in den Sonnenuntergang zu reiten.“
„Das denkst du von mir?“, fragte sie.
„Meine Dame“, seufzte ich, „vor drei Jahren noch wäre ich der erste in der Schlange gewesen. Wenn ich ernsthaft davon überzeugt wäre, dass du aussteigen willst, würde ich dir immer noch helfen. Aber ich glaube nicht, dass du aussteigen willst. Wenn es dir wirklich so mies ginge, würdest du deinen Gefallenen nicht kontrollieren – es wäre genau anders herum. Ich glaube, dass du aus einem bestimmten Grund Tessas rechte Hand bist. Was entweder bedeutet, dass deine tragische Gefallene-Dame-Nummer nichts weiter ist als ein Haufen Krokodilstränen oder dass du in einem derartigen Maßstab heuchelst, dass man eine Geisteskrankheit danach benennen könnte.“
Sie starrte ins Dunkel und schwieg.
„Du hast meine Frage nicht beantwortet“, sagte ich.
„Warum stellst du sie nicht einfach noch lauter?“, fragte sie mich mit einem bitteren Unterton. „Wenn du das von mir hältst, solltest du deine Begleiter dann nicht vor meinem bevorstehenden Verrat warnen?“
„Aber klar“, ätzte ich. „Wenn ich das tue, dann quellen deine Äugelchen plötzlich vor Tränchen über, und du drehst dich von mir weg. Dann lässt du ein einzelnes Tränchen deine Wange runter laufen und wendest deinen Kopf leicht ab, damit der Wind dein Haar so zerzaust, dass die restlichen darunter nur zu erahnen sind. Vielleicht lässt du auch deine Schulterchen einmal kurz erbeben, und dann stehe ich als der große, böse Magier da, der einfach nicht vergeben kann, der nichts versteht und auf einem armen, kleinen Mädel rumhackt, das einfach in der Tinte steckt, aber sich nichts sehnlicher wünscht, als einfach geliebt zu werden. Ein wenig mehr solltest du mir schon zutrauen. Ich werde dir nicht dabei helfen, die beiden reinzulegen.“
Ihre
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