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Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)

Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)

Titel: Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher , Oliver Graute
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und Michael, die Schwerter in der Hand, neben mir Aufstellung genommen hatten und Wache hielten. Am Bug drosselte Rosanna den Motor noch weiter. Dann drehte sie sich um und musterte mich einen Moment lang eindringlich. Ihr Mundwinkel fuhr zu einem flüchtigen, wissenden Lächeln hoch. Dann sah sie wieder nach vorn, und ich entdeckte, dass es hell genug war, die Umrisse ihrer zart geschwungenen Hörner auszumachen.
    Ich erhob mich und erblickte vor mir eine Insel, die sich aus den immer aufgewühlteren Fluten des Sees erhob. Sie war von den charakteristischen Wäldern und dem Unterholz bedeckt, die man im mittleren Westen der Vereinigten Staaten überall fand – jede Menge Bäume, deren Stämme kaum dreißig Zentimeter dick waren, unter denen sich ungefähr eineinhalb Meter hoch Büsche, Dickichte und Dornengesträuch erhoben. Alles war unter einer dicken Schneeschicht begraben, und das Licht, das diese nur reflektierte, ließ mich die Umrisse von Rosannas Profil erkennen.
    Am Seeufer erstreckten sich Häuser, die an eine alte Westernstadt erinnerten. Nur, dass sie bereits seit so langer Zeit verlassen war, dass der Wald diesen Ort zurückerobert hatte. Die meisten Häuser waren eingestürzt. Aus denen, die noch standen, erhoben sich Bäume, und der Anblick erinnerte mich irgendwie an eine Insektensammlung: leere Hüllen, die mit Stecknadeln auf Karton aufgespießt waren. Ein Schild, das zu verwittert war, als dass man es noch hätte lesen können, baumelte an einer verbliebenen Kette. Es schwang im Wind, und das rostige Metall quietschte. Das Gerippe einer alten Hafenanlage erhob sich am Ufer, zerborstene Holzsäulen, die aus dem Wasser aufragten wie verfaulte Zähne.
    Noch während ich den Ort in Augenschein nahm, fühlte ich die Aufmerksamkeit einer hohlen, toten Bösartigkeit. Sie hatte nur Missachtung für mich übrig, und der Leichnam der kleinen Stadt vor mir war eine stille Herausforderung, dass sie bereits Menschen wie mich bekämpft – und gewonnen – hatte.
    „Sapperlot“, rief ich Rosanna zu. „Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?“
    Sie wies schweigend nach oben. Mein Blick folgte ihrem Finger den Abhang der Insel hinauf, und ich erspähte das Licht, das ich bereits draußen am See bemerkt hatte – eindeutig ein Leuchtfeuer, das anscheinend auf der Kuppe eines Hügels am höchsten Punkt der Insel über der Stadt flackerte. Die Umrisse eines Gebäudes oder Turms hoben sich dort deutlich vom Winterhimmel ab, auch wenn ich von hier keine Einzelheiten ausmachen konnte.
    Rosanna würgte den Motor ab, und das Boot glitt lautlos auf die zerschmetterten Holzbohlen direkt am Ufer zu. Sie kletterte auf den Bug hinaus und wartete bereits mit einem Seil, als der Rumpf gegen eine dieser Säulen stieß. Sie vertäute das Boot an der Bohle, sprang dann ins Wasser und watete die letzten Meter an Land.
    „Oh, gut“, murmelte ich. „Schon wieder nass.“
    Der Wind trug aus unserem Rücken einen gurgelnden, markerschütternden Schrei heran. Ich war schon einige Male im Norden gewesen, und es konnte sich durchaus um den Ruf eines Seetauchers handeln – doch wir wussten es besser. Der Sommer war uns immer noch auf den Fersen.
    „Es wird nicht trockener, wenn wir hier warten“, sagte Michael leise.
    „Da sind Männer im Wald“, warnte Sanya leise. Er schob sein Schwert in die Scheide und hob seine Kalaschnikow. „Dreißig Meter, da und da oben. Das sind Maschinengewehrnester.“
    Ich grunzte. „Dann los. Ehe sie sich langweilen und die Landung in der Normandie nachspielen wollen.“
    „Gott mit uns“, betete Michael flüsternd.
    Ich zückte meine Schrotflinte und antwortete: „Amen.“

42. Kapitel
    M ichael hatte vorausgeplant . Er hatte ein Dutzend chemischer Heizkissen mitgebracht, die sich Jäger für gewöhnlich in die Ärmel ihrer Kleidung schoben. Er teilte sie unter uns auf, und wir stopften sie in unsere Socken, nachdem wir an Land gegangen waren. Ich weiß nicht, wie sonst auch nur eine Chance bestanden hätte, durch den ganzen Schnee den Hügel hinaufzukommen, wo sich unsere Hosen bis zum Knie mit Wasser vollgesogen hatten.
    Rosanna bereitete das Wetter keine Schwierigkeiten. Sie hatte ihre Schwingen wie ein Cape um sich gelegt. Ihre dämonische Gestalt bewahrte sie vollständig vor den Unbilden des Wetters, und ihre gespaltenen Hufe klapperten so flink über die felsige, gefrorene Hügelflanke wie eine Bergziege. Ihr dornenbewehrter Schwanz zuckte beim Aufstieg dramatisch hin und her.

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