Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
Winde bediente. Ihr Gesicht war bleich, doch ihre Augen leuchteten vor Aufregung. Mit ihrer Hilfe hatte Gard gewusst, wo sie nach meinem Signal Ausschau halten musste – ich hatte Anastasia ein paar meiner Haare anvertraut, mit denen sie einen Suchzauber hatte weben können, und so war sie mir seit dem Zeitpunkt, an dem wir Rosanna getroffen hatten, gefolgt.
Das Seil glitt mit einem daran befestigten Gurtharnisch herab. „Marcone“, brüllte ich über das Knattern des Rotors und das Fauchen der Maschinenkanone hinweg – genauer gesagt formte ich die Worte total übertrieben mit den Lippen. „Sie zuerst. Das war die Bedingung.“
Er schüttelte den Kopf und wies auf Ivy.
Ich knurrte, schob das Mädchen in seine Arme und begann, ihm die Gurte anzulegen. Er hatte sofort kapiert, worauf ich hinauswollte, und nach wenigen Sekunden war er gesichert und presste die halb ohnmächtige Ivy an sich. Ich zeigte Luccio meinen in die Luft gereckten Daumen, und Marcone und Ivy flitzten elegant zum Helikopter hinauf. Ihre weißen Umhänge mit den blutroten Kreuzen zeichneten sich in der Winternacht deutlich ab.
„Sanya!“, schrie ich.
Der Russe gab mir die Kalaschnikow, schlüpfte in den Harnisch und glitt zum Hubschrauber empor. Erneut fuhr der leere Harnisch wieder herab – doch nun wurden wir von der Hügelflanke zunehmend mit schwereren Geschützen beharkt, und Leuchtspurgeschosse zogen ihre Bahnen durch die Nacht. Das zog umgehend eine Antwort aus der kleinen Maschinenkanone nach sich, doch Gard würde den Hubschrauber nicht mehr lange an Ort und Stelle halten können.
„Harry!“, sagte Michael und bot mir den Harnisch an.
Ich war schon drauf und dran, ihn entgegenzunehmen, doch ein Zufall ließ mich nach oben blicken, wo Gard aus der Plastikkuppel um den Pilotensitz auf uns herabstarrte – sie musterte Michael mit einer äußerst beunruhigenden Intensität, die ich schon einmal zuvor auf ihren Zügen gesehen hatte, und mein Herz begann zu rasen.
Als ich diesen Gesichtsausdruck das letzte Mal bei ihr gesehen hatte, waren wir in einer Gasse vor Bocks Bestellte Bücher in Chicago gewesen. Ein Nekromant namens Totengreifer und ein Ghul, der Li Xian hieß, waren drauf und dran gewesen, mich umzubringen. Einige Minuten später hatte Gard Marcone berichtet, sie habe gesehen, dass mein Schicksal eigentlich darin bestanden hätte, dort an Ort und Stelle mein Leben auszuhauchen. Der einzige Grund, warum ich überlebt hatte, war Marcones Eingreifen gewesen.
Doch selbst wenn ich diese Miene nicht gesehen hätte, war es alles andere als gut, wenn eine Walküre über einen Kampfplatz brauste und ein besonderes Interesse an einem bestimmten Kämpfer entwickelte.
Ich hatte dem Grashüpfer ein Versprechen gegeben. Wenn hier gleich die Kacke am Dampfen war, würde es nicht Mollys Vater sein, der sich um die Chose kümmern würde.
„Du zuerst“, antwortete ich.
Er wollte mir widersprechen.
„Verdammt, Michael.“ Ich schob ihm den Harnisch in die Arme.
Er verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf, doch dann schob er Amoracchius in die Scheide. Er legte eilig den Harnisch an, wobei er Fidelacchiusnach wie vor in der Hand hielt. Ich bedeutete Luccio mit erhobenem Daumen, ihn hochzuziehen, und Michael surrte langsam nach oben. Gard runzelte leicht die Stirn, und meine Anspannung legte sich etwas.
Tessa und Rosanna traten hinter Schleiern hervor, die ebenso gut waren wie alles, das Molly zustande brachte, und ich musste wahrlich nicht Sherlock Holmes sein, um auszutüfteln, wer den Löwenanteil zur Erschaffung des Bannkreises beigetragen hatte, in dem das Archiv gefangen gewesen war. Mir blieb etwa eine halbe Sekunde zu handeln, doch ich verhedderte mich im Gurt von Sanyas Sturmgewehr, das er mir übergeben hatte, damit ich mich im Falle eines Angriffes wehren konnte. Vielen Dank, Sanya.
Tessa, die erneut ihr menschliches Gesicht trug, dessen Augen mit wahnwitziger Schadenfreude glänzten, schwang eine Gottesanbeterinnen-Schere in meine Richtung, doch zumindest schaffte ich es gerade noch, das Gewehr zwischen uns in Position zu bringen, um zu verhindern, dass sie mir einfach den Kopf von den Schultern riss. Statt jedoch das Sturmgewehr zu Kleinholz zu verarbeiten, wie ich es eigentlich erwartet hatte, riss sie es mir mit einer Leichtigkeit aus den Händen, mit der man einem Baby Süßigkeiten wegnahm, und wirbelte von mir weg.
Sie zwinkerte mir zu, warf ein Kusshändchen in meine Richtung und begann, mit der
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