Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
verkündete ich.
Thomas pfiff leise durch die Zähne und ließ den Blick durch den Raum schweifen. „Ich habe schon gehört, der Velvet Room habe seine Tore wieder geöffnet. Ist er das?“
„Allerdings“, bejahte ich.
Ein brünettes Mädchen wackelte auf uns zu, den Mund zu einem Lächeln direkt aus einem Schönheitswettbewerb verzogen, und kurz beschlich mich die Befürchtung, ihr T-Shirt werde uns vor lauter Anspannung im nächsten Moment um die Ohren fliegen. Leuchtend goldene Buchstaben über ihrer linken Brust verkündeten den Namen BILLIE.
„Hallo, Mister Dresden“, zwitscherte sie. Sie nickte Thomas zu. „Sir. Willkommen bei Superior Fitness. Darf ich Ihnen vor dem Training noch ein Getränk anbieten? Darf ich Ihnen die Mäntel abnehmen?“
Ich hob eine Hand. „Danke nein, Billie. Ich bin nicht hier, um zu trainieren.“
Ihr Lächeln blieb hübsch und nichtssagend auf ihre Züge gepflastert, und sie legte den Kopf zur Seite.
„Ich bin hier, um mit Miss Demeter zu sprechen“, sagte ich.
„Das tut mir leid, Sir“, summte sie. „Sie ist nicht da.“
Das Mädchen war eine Augenweide, und ich war mir sicher, dass die anderen vier Sinne in Hinsicht auf puren Genuss ebenfalls nicht zu kurz kommen würden. Aber sie war keine sonderlich gute Lügnerin. „Doch“, sagte ich. „Sagen Sie ihr, Harry Dresden sei hier.“
„Tut mir leid, Sir“, sagte sie abermals wie eine Platte, die hängengeblieben war. „Miss Demeter befindet sich nicht in diesem Gebäude.“
Ich schenkte ihr mein strahlendstes Lächeln. „Sie sind irgendwie neu hier, hm, Billie?“
Das Lächeln wankte kurz, fing sich aber sofort wieder.
„Thomas.“ Ich seufzte. „Zeigst du’s ihr?“
Mein Bruder sah sich um, ging dann zu einem nahen Gestell mit Stahlhanteln und schnappte sich die jeweils schwersten mit je einer Hand. Ohne mehr Mühe, als es mich gekostet hätte, Zweige zu biegen, verflocht er die Griffe zu einem asymmetrischen X. Er hielt es hoch, um sicherzustellen, dass Billie es sehen konnte, und ließ es ihr dann vor die Füße fallen. Die Gewichte prallten mit einem kolossalen Krachen auf, und Billie zuckte zusammen.
„Sie sollten mal die Dinge sehen, die er verbiegen und kaputtmachen kann“, meinte ich vergnügt. „Teure Fitnessgeräte. Teure Möbel. Teure Kunden. Ich weiß nicht genau, wie weit er einiges von diesem Kram durch die Gegend werfen kann, aber ich würde lügen, wenn ich jetzt behauptete, ich wäre nicht neugierig, es herauszufinden.“ Ich beugte mich ein wenig in ihre Richtung. „Sie sollten sich jetzt besser an eine Vorgesetzte wenden. Es täte mir leid, wenn Ihnen das Geld für eine Komplettrenovierung vom Gehalt abgezogen würde.“
„Bin sofort wieder da, Sir“, sagte Billie in einem quietschenden Flüsterton und wieselte von dannen.
„Subtil“, merkte Thomas an.
Ich zuckte die Achseln. „Das erspart uns einiges an Zeit.“
„Wie bist du denn an eine Mitgliedschaft für einen Club wie diesen gekommen?“
„Der Laden gehört Marcone. Ich glaube, er hofft, ich lege den Club nicht in Schutt und Asche, wenn ich durch nette Titten abgelenkt bin.“
„Kann nicht sagen, dass ich ihm daraus einen Strick drehe“, gab Thomas zu. Sein Blick blieb an einem Mädchen hängen, das an einem Schreibtisch gerade Papierkram erledigte. Sie verharrte reglos und sah sehr langsam auf. Ihre Lippen öffneten sich, als sie Thomas gewahr wurde, und ihre Augen weiteten sich. Sie begann, schneller zu atmen, schüttelte sich dann leicht und wandte eilig den Blick ab, um so zu tun, als würde sie sich konzentriert ihren Unterlagen widmen.
Mein Bruder schloss langsam die Augen und wendete seinen Kopf in einer äußerst bewussten Bewegung ab, als würde er eine schwere Tür ins Schloss ziehen. Als er sie blinzelnd wieder öffnete, hatte sich ihr Grau in ein bleiches, grauweißes Silber gewandelt.
„Bist du in Ordnung?“, fragte ich leise.
„Hmmmmmm“, murmelte er. „Tut mir leid. War etwas abgelenkt. Hier … liegt so eine gewisse Energie in der Luft.“
Verflixt, wie hatte ich das vergessen könne? Dieses Gebäude war ständig Schauplatz von Akten der Lust und der Begierde, und diese, äh, Aktivitäten hinterließen einen gewissen psychischen Abdruck, den Thomas zweifellos gefühlt haben musste.
Vampire wie Thomas stahlen ihren Opfern kein Blut, sondern Lebenskraft. Dass er mit seiner übernatürlichen Stärke geprotzt hatte, machte die Dinge für uns zwar einfacher, aber es hatte Thomas auch
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