Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
halbes Grad gestiegen. Der letzte Beutel Antibiotika ist fast leer.“
Ich knirschte frustriert mit den Zähnen. Wenn ich Morgan nicht bald in die Klinik schaffte, war es egal, ob ihn der Rat erwischte oder nicht, dann war er so oder so tot.
„Soll ich Eis holen und ihn runterkühlen?“, wollte Molly wissen.
„Nur, wenn das Fieber auf über vierzig steigt und so bleibt“, sagte ich. „Dann wird es gefährlich. Bis dahin macht es nur seine Arbeit und hält eine Entzündung in Schach.“ Ich schluckte den letzten Bissen Brot. „Irgendwelche Anrufe?“
Sie fischte einen Zettel aus der Tasche. „Georgia. Ich habe notiert, wo Andi ist. Sie sind immer noch bei ihr.“
Seufzend nahm ich ihr den Zettel ab. Hätte ich Morgan nicht vor einer halben Ewigkeit eingelassen, wäre der Mann jetzt nicht in Chicago. Ekelmonster hätte sich nicht an meine Fersen geheftet, um ihn zu finden, Andi wäre nicht verletzt, Kirby würde noch leben – und ich? Ich hatte nicht mal angerufen, um nachzufragen, wie es Andi ging. „Wie geht es ihr?“, erkundigte ich mich bei Molly.
„Noch kann das wohl keiner genau sagen.“
Ich nickte. „Verstehe.“
„Hast du Thomas gefunden?“
Ich schüttelte den Kopf. „Totaler Reinfall.“
Mouse kam zu mir herüber getrottet, setzte sich neben mich und sah mich mit besorgtem Blick an.
Molly nagte an ihrer Unterlippe. „Was hast du jetzt vor?“
„Ich ...“ Ich räusperte mich, meine Stimme wurde ganz leise. „Ich habe nicht den blassesten Schimmer.“
Mouse kratzte an meinem Bein. Ich bückte mich, um ihn hinter den Ohren zu kraulen, was ich umgehend bereute: Mein Kopf fühlte sich an wie in einem Schraubstock, den jemand gerade fester drehte. Rasch richtete ich mich stöhnend wieder auf und erging mich in wilden Fantasien, in denen ich mich einfach lang auf dem Boden ausstreckte und eine Woche lang schlief.
Molly beobachtete mich besorgt.
„Okay, Harry, dein Lehrling sieht zu und soll etwas lernen. Zeig ihr, wie sich ein Magier verhält – was du gern tun würdest ist jetzt nicht angesagt“, sagte ich mir.
Ich warf einen Blick auf den Zettel. „Im Augenblick liegt die Antwort auf deine Frage nicht klar auf der Hand, ich muss überlegen, und während ich das tue, gehe ich Andi besuchen.“
Molly nickte. „Was mache ich?“
„Du hältst die Stellung. Versuch, mich in der Klinik zu erreichen, wenn jemand anruft oder vorbeikommt. Oder falls es Morgan schlechter geht.“
Molly nickte, sie wirkte sehr ernst. „Das kriege ich hin.“
Ich strich ihr über die Schulter und schnappte mir meine Sachen sowie den Schlüssel des Rolls. Molly begleitete mich zur Tür, um hinter mir abzuschließen. Ich wollte gerade gehen, als mir etwas einfiel. „Hör mal ...“, wandte ich mich an meinen Lehrling.
„Ja?“
„Danke.“
Sie blinzelte erstaunt. „Wie? Was habe ich denn getan?“
„Mehr, als ich von dir verlangt habe. Mehr, als gut für dich war.“ Ich beugte mich vor und küsste sie auf die Wange. „Danke.“
Sie reckte das Kinn und grinste. „Na, ja, du bist doch solch ein Jammerlappen, wie konnte ich dich da im Stich lassen?“
Da musste ich lachen. Nur kurz, aber es reichte: Mollys Lächeln erblühte zu etwas Strahlendem.
„Du kennst die Vorschriften“, sagte ich.
Sie nickte: „Augen offen halten, supervorsichtig sein, keine Risiken eingehen.“
Ich zwinkerte ihr zu. „Du wirst von Tag zu Tag weiser, Grashüpfer.“
Molly wollte etwas sagen, verkniff es sich, druckste eine Sekunde lang herum und schlang dann die Arme ganz fest um mich.
„Pass auf dich auf“, sagte sie. „Machst du das?“
Ich erwiderte ihre Umarmung und drückte ihr ein Küsschen auf den Scheitel. „Halt durch, Kleines. Wir kriegen das schon irgendwie geregelt.“
„Ja“, sagte sie. „Das schaffen wir.“
Dann eilte ich hinaus in die Nacht von Chicago. Das schaffen wir? Mir war nicht mehr klar, wie – und ob.
30. Kapitel
I ch mochte keine Krankenhäuser – aber wer tat das schon?
Ich mochte die kalten, kühlen Flure und das grelle Neonlicht nicht. Ich mochte den ruhigen Klingelton der Telefone nicht. Ich mochte die pastellfarbenen Kittel nicht, die Krankenschwestern und Pfleger trugen. Ich mochte die Aufzüge nicht, und ich mochte die Farben an den Wänden nicht, die einen beruhigen sollten, und ich mochte es nicht, dass man in Krankenhäusern immer nur in diesem maßvollen, leisen Ton mit mir sprach.
Aber am wenigsten mochte ich die Erinnerungen, die für mich mit
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