Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
kann!“
„Ich werde nichts und niemanden treten“, versprach ich. „Damit warte ich, bis ich genug weiß, und dann trete ich sie dorthin, wo es richtig wehtut.“
Oben im zwölften Stock kletterte ich aus dem Fahrstuhl, zog eine Dose Luftschlangenspray aus der Manteltasche und schüttelte sie, während ich mit suchendem Blick den Flur abging. Als ich Zimmer zwölf dreiunddreißig gefunden hatte, sprühte ich ohne großes Vorspiel ein bisschen Luftschlange Richtung Tür, die nach einem kurzen, fröhlich leuchtenden Flug daran hängen blieb.
Ich machte auf dem Absatz kehrt und suchte weiter, bis ich die Tür zu einem Räumchen gefunden hatte, in dem sich ein Eisspender und zwei Automaten mit Süßigkeiten befanden. Dort setzte ich mich auf den Fliesenboden, zog rasch mit Whiteboard-Marker einen Kreis um mich und ging an die Arbeit.
Nachdem ich den Kreis mit einer Willensanstrengung geschlossen hatte, erhob sich eine unsichtbare Abschirmwand um mich. So ein rasch gezogener Kreis ist magisch gesehen nicht gerade eins der ganz schweren Geschütze, reicht aber völlig, um externe Energien abzuhalten und gestattet einem, die eigenen Energien zu sammeln und sie ohne Beeinträchtigung und Einmischung von außen zu einem bestimmten Zweck zu formen. Ich sprühte mir mit der Dose ein Häufchen Luftschlangen – das ungefähr aussah wie bunter Rasierschaum –auf die linke Handfläche, stellte die Dose ab, schloss die Augen und bündelte meinen Willen.
Im Grunde ging es bei Magie fast ausschließlich um das Schaffen von Verbindungen. Zuvor hatte ich mit Hilfe von Binders Haaren eine Verbindung zu ihm hergestellt und diese dann für einen Suchzauber verwendet. Ich hätte aber auch alles mögliche andere mit dieser Verbindung anstellen können, darunter auch ein paar extrem hässliche, gefährliche Dinge. Dass das ging, hatte ich mehr als einmal miterleben dürfen – leider meist auf der Empfängerseite.
Diesmal schuf ich eine Verbindung zwischen dem Luftschlangenspray in meiner Hand und den Luftschlangen, die an der Tür weiter unten im Flur klebten. Beide stammten aus derselben Dose und waren, als man sie in die Dose gefüllt hatte, Teil einer eindeutig definierten Menge Flüssigkeit gewesen. Diese Gleichheit durfte ich zu meinem Vorteil nutzen und so eine Verbindung zwischen mir und der Tür herstellen.
Ich richtete meinen Willen auf das gewünschte Ergebnis, bündelte ihn und setzte ihn mit einem leisen „Finiculus sonitus“frei. Dabei unterbrach ich den um mich gezeichneten Kreis, in dem ich einen Teil der Linie verwischte und spürte sofort auf der Handfläche der linken Hand ein leises Kribbeln, fast ein Summen.
Nun neigte ich den Kopf ganz weit nach rechts und drückte mir einen Klumpen Luftschlangenspray ins linke Ohr.
„Leute, dass mir das bloß keiner allein zu Hause versucht!“, murmelte ich. „Ich bin Profi!“
Als Erstes vernahm ich hektisch klingende, irgendwie hyperaktive Musik. Ein Sänger schrie ohne erkennbare Melodie vor sich hin, ein Schlagzeug wurde malträtiert, und irgendwer verging sich an einer E-Gitarre oder tunkte unter Kehlkopfentzündung leidende Katzen in siedendes Öl. Keiner der sogenannten Musiker schien sich für die Aktivitäten der anderen zu interessieren.
„Himmel!“ Das war unverkennbar Binders Akzent. „Zu dem Geheule kannst doch noch nicht mal du tanzen!“
Ich hörte ein kehliges Frauenlachen, und eine nicht mehr ganz nüchterne, überaus glücklich klingende Madeline Raith sagte: „Bei dieser Musik geht es nicht um Kunst oder Präzision, Süßer. Hier geht es um Hunger und Leidenschaft, und ich könnte danach so tanzen, dass dir die Augen aus dem Kopf fallen.“
„Ich bin nicht dein Süßer.“ Binder klang sauer. „Ich bin gar nichts für dich, Täubchen, nur dein temporärer Angestellter.“
„Solltest du das wirklich immer so betonen, Binder?“, höhnte Madeline. „Wenn man bedenkt, welche Niete du als Tagelöhner warst?“
„Ich habe dir von Anfang an gesagt: Wenn jemand vom Weißen Rat auftaucht, kann ich für nichts garantieren.“ Binder klang mürrisch. „Prompt taucht nicht nur dieser ätzende Harry Dresden auf, er bringt sich auch noch Rückendeckung mit. In Form der örtlichen Bullerei!“
„Das mit diesem Dresden geht mir langsam echt auf die Nerven“, sagte Madeline. „Er ist doch nur ein Mann!“
„Er ist ein verdammtes Mitglied des verdammten Weißen Rates!“, gab Binder giftig zurück. „Einer wie der kann alles, was ich auch
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