Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
einstellte. Die Straße vorm Sax brachte es allerdings gerade mal auf drei schmale Fahrspuren. Als Murphy und ich auf das Hotel zugingen, kam ich mir vor wie eine Ameise auf dem Weg durch einen Riss im Bürgersteig.
„Geht einem ganz schön auf den Wecker, was?“, meinte Murphy.
Wir passierten gerade eine Straßenlaterne, unsere Schatten wirkten einen Moment lang gleich kurz. „Was soll mir auf den Wecker gehen?“
„Diese großen Teile, die so bedrohlich neben einem aufragen.“
„Auf den Wecker gehen wäre zu viel gesagt“, sagte ich. „Ich bin nur ein bisschen ... man ist sich ihrer immer bewusst, nicht?“
Murphy sah trübsinnig und stur geradeaus. „So geht es mir ständig. Willkommen in meiner Welt.“
Mit leisem Schnauben musterte ich von oben herab ihren Scheitel.
Die Eingangshalle des Hotels war ganz in Glas und Weiß gehalten, mit ein paar satten, roten Akzenten hier und da. Angesichts der späten Stunde wunderte es mich wenig, nur noch eine Angestellte vorzufinden, eine junge Frau, die hinter der Glasscheibe des Empfangstresens stand. Nicht weit von diesem Tresen entfernt saß ein Gast in einem Sessel und las in einer Illustrierten. Obwohl er der einzige Mann im Raum war, musste ich zweimal hinsehen, ehe ich Vince erkannte.
Der legte die Zeitschrift beiseite und kam zu uns herübergeschlendert. Seine unauffälligen braunen Augen huschten einmal kurz und abschätzend über Murphy hinweg, ehe er ihr zunickte und mir die Hand hinstreckte.
Ich schüttelte ihm die Hand, während ich ihm gleichzeitig mit der Linken einen Scheck hinhielt. Er nahm ihn, warf einen unverbindlich-freundlichen Blick drauf und steckte ihn ein. „Er hat den Lift in den zwölften Stock genommen und befindet sich jetzt in Zimmer zwölf dreiunddreißig.“
„Woher zum Henker wissen Sie das so genau? Sind Sie mit ihm zusammen hochgefahren?“
„Nee, dazu lege ich doch zu viel Wert auf körperliche Unversehrtheit. Ich bin hübsch hier unten geblieben. Sie sagten doch, der Typ bedeutet Ärger.“
„Stimmt genau. Wie haben Sie es dann hingekriegt?“
Er hob die Brauen. „Ich bin gut. Wollen Sie noch wissen, in welchem Sessel er sitzt?“
„Nein, die Zimmernummer reicht völlig.“
Vince sah noch einmal kurz zu Murphy hinüber, runzelte die Stirn und betrachtete mich prüfend. „Himmel! Sie beide sehen ziemlich entschlossen aus.“
„Das könnte hinkommen“, sagte ich. „Ich habe doch gesagt, dass der Mann gefährlich ist. Ist jemand bei ihm?“
„Eine Person. Ich glaube, eine Frau.“
Murphy grinste.
„Woher zum Teufel wissen Sie das denn nun wieder?“, erkundigte ich mich neugierig.
„Zimmerservice!“, krähte Murphy strahlend.
Vince bedachte sie mit einem anerkennenden Lächeln. „Klar hätte jeder im zwölften Stock zwei Minuten, nachdem unser Mann den Lift verlassen hatte, Champagner und zwei Gläser aufs Zimmer bestellen können. Aber so spät nachts? Unwahrscheinlich.“ Er sah mich an. „Das Geld, das ich dem Zimmerkellner zugesteckt habe, nehme ich von meinem Honorar.“
„Nett von Ihnen.“
Er zuckte die Achseln. „War es das?“
„Ja. Danke, Vince.“
„Solange der Scheck gedeckt ist“, sagte er, „war es mir ein Vergnügen.“ Er nickte erst mir, dann Murphy zu und verließ das Hotel.
Sobald Vince weg war, fing ich mir von Murphy einen spöttischen Blick ein. „Sieh da, sieh da! Der große Harry Dresden beschäftigt Subunternehmer!“
„Was willst du? Von mir erwarten die Leute Magie und ähnliche Scherze. Haben sie ja auch gekriegt. Aber mit so jemandem wie Vince hatte Binder bestimmt nicht gerechnet, auf solche achtet er nicht.“
„Du ärgerst dich doch bloß, weil sie genau die Nummer auch mit dir durchgezogen haben.“ Murphy lächelte. „Das war Rache. Gleiches mit Gleichem vergelten.“
Ich schniefte. „Nennen wir es Liebe zur Symmetrie.“
„Richtig: klingt gleich viel edler.“ Murphy nickte. „Also gut, wie lautet der Plan? Wir können ja wohl kaum da hochsteigen und die beiden zur Vernehmung abschleppen.“
„Mein Plan sieht vor, dass wir an Infos kommen. Ich werde die beiden belauschen und mir anhören, was sie so zu sagen haben.“
Murphy sah sich um. „Der Sicherheitsdienst des Hotels sieht dich bestimmt nicht gern auf den Fluren rumlungern und an Türen lauschen. Ich spreche mal kurz mit denen.“
„Gut.“ Ich nickte. „Ich bin dann oben im zwölften.“
„Dass du mir ja keine Türen eintrittst, wenn niemand dir Rückendeckung geben
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