Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
rauskommen will, indem er sich mit dem Rat gut stellt. Immerhin könnte so einer aus seiner Kehrtwende ja auch noch persönlichen Profit schlagen. Alles ganz logisch – natürlich geht der Ältestenrat davon aus, dass es einen solchen Informanten geben könnte.“
Molly hörte leicht fassungslos zu. „Der eigentliche Mörder – ruft der jetzt den Schwarzen Rat zu Hilfe?“
Ich schüttelte den Kopf. „Ich glaube, der Mord an LaFortier geschah nur, weil der Verschwörer einen Fehler begangen hat und LaFortier von seiner Existenz wusste. Er musste ihn ausschalten, bei der Stärke der Sicherheitsvorkehrungen in Edinburgh aber auch damit rechnen, dass etwas schiefgeht. Es ist ja auch etwas schiefgelaufen: Morgan konnte entfliehen. Was er seitdem gemacht hat, riecht stark nach Verzweiflung. Ich glaube, wenn der Schwarze Rat mitkriegt, dass ihr U-Boot die Dinge so gründlich in den Sand gesetzt hat, dann bringen sie ihn um, damit niemand die Spur von ihm zu ihnen zurückverfolgen kann. Er wird heute Nacht hier sein, Molly, und er muss gewinnen. Er hat nichts zu verlieren.“
„Aber du steckst all diese Leute zusammen auf eine verhältnismäßig kleine Insel, wo man so leicht nicht mehr wegkommt. Das gibt doch eine Riesen-Schweinerei.“
„Das Dampfkochtopfprinzip!“ Ich nickte. „Der Verbrecher ist so verzweifelt, dass er hastig handelt und Fehler macht. Zum Beispiel hat er den Weißen Hof in die Intrigen um LaFortiers Ableben mit einbezogen, das war ein schwerer Fehler. Da hat er es einfach zu weit getrieben.“
Molly sah nachdenklich hinab auf die Wellen. „Also bringst du ihn hier auf einer verhältnismäßig kleinen Insel, wo man nicht so schnell wegkommt, mit den zwei bedeutenden Machtgruppen zusammen, die ihn auf jeden Fall erledigen wollen, sobald sie begreifen, was los ist. Sein schlimmster Alptraum muss doch sein, dass die Magier und der Weiße Hof sich wegen dem, was er getan hat, zu einer engeren Allianz zusammenschließen. Gegen beide Gruppen gleichzeitig hat er nicht die geringste Chance, die sind viel zu mächtig.“
Ich strahlte. „Jawohl! Sich hilflos zu fühlen stinkt. Das gilt besonders für Magier, denn normalerweise sind wir nicht hilflos, normalerweise fällt uns immer noch was ein. Oder wir reden uns wenigstens ein, dass wir nicht hilflos sind.“
„Du hoffst, dass er durchdreht.“
„Ich glaube, er wird auf jeden Fall da sein. Mit genügend Druck wird irgendwo etwas platzen. Ich glaube, er versucht etwas Dummes, einen Privatzauber vielleicht, der alle ausschaltet, bevor sie überhaupt mitkriegen, dass ein Kampf läuft.“
„Ein Angriff aus dem Hinterhalt.“ Molly nickte. „Der aber keiner sein wird, weil du weißt, wo der Typ ist und was er macht. Intellectus!“
Ich tippte mir mit dem Finger an die Schläfe. „Gut gedacht, Grashüpfer!“
In der Ferne donnerte es.
Ich seufzte. „Thomas fährt auch bei schwerem Wetter, aber ich traue mir das nicht zu. Ein Gewitter auf offenem Wasser kann blitzschnell ganz hässlich werden. Wir müssen festmachen und abwarten, was auf uns zukommt.“
Ich übernahm die Navigation. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Ich navigierte! Obwohl – das Boot verfügte über ein Ruder und einen Fahrhebel für größere Geschwindigkeit, es war ungefähr so schwer zu bewegen wie ein Autoskooter. Zugegeben, einfach war nicht dasselbe wie problemlos, aber trotzdem. Dieses Boot auszurichten und von links nach rechts zu bringen hatte, wenn ich ehrlich sein soll, mit Navigation nicht besonders viel zu tun.
Egal: Ich steuerte die Wasserkäfer sicher durch das Riff und fuhr ein sauberes Anlegemanöver, viel glatter als beim ersten Mal. Will wartete schon am Ankergurt und sprang, kaum lagen wir richtig, auf den Ponton. Georgia warf ihm die Leinen zu.
„Nicht an Land gehen, lasst mich vor“, rief ich. „Ich würde euch gern vorstellen.“
Billy warf mir einen schrägen Blick zu. „Na gut, Harry.“
Ich stieg von der Brücke und wollte gerade auf den Anleger springen, als ganz am Ende des Pontons eine große, schlanke Gestalt in schwarzer Robe, schwarzem Umhang und schwarzer Kapuze auftauchte, die wohl dort hinter einem Schleier gewartet hatte. Sie hob einen alten, mit geschnitzten Runen geschmückten Stab und ließ ihn auf die hölzernen Planken krachen.
Dort, wo der Stab auf den Ponton traf, erwuchs eine Scheibe aus flackerndem, blauem Licht. Mir blieb kaum Zeit, meinen Willen zu bündeln, die Arme an den Handgelenken zu verschränken
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