Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
und auf Brusthöhe zu heben und meinem Willen in mein Armband sowie meine mentale Verteidigung fließen zu lassen.
Der Ring auf dem Ponton breitete sich aus, sandte tiefblaue, lila und grüne Schlieren aus, die Georgia, Molly und Will trafen und zu Boden streckten. Die drei brachen einfach zusammen und landeten, so wie sie waren, als kleine Häuflein Elend auf dem Anleger beziehungsweise dem Bootsdeck. Mir wurde kurz schwarz vor Augen. Ich fühlte mich müde, so müde – bis ich rasch und leicht panisch weitere Energie in meine Verteidigung sandte und der Moment verging.
Ein paar Sekunden lang stand die Gestalt in der Robe einfach nur da und starrte mich an. Dann sagte eine tiefe Stimme: „Legen Sie den Stab nieder!“ Um den Stab des Angreifers sammelte sich ein Wirbel aus betäubenden Farben, als er ihn wie ein Gewehr auf mich richtete. „Es ist vorbei.“
39. Kapitel
D er Regen fiel gleichmäßig . Ich riskierte einen Blick auf die anderen, die weiterhin wohl atmend, aber reglos dalagen. Molly hing mit Kopf, Schultern und Armen seitlich über den Bootsrand, das leuchtend blaue Haar nass und etliche Schattierungen dunkler als sonst. Bei jeder Bewegung des Boots schwangen ihre Arme hin und her. Sie lief Gefahr, ins Wasser zu fallen.
Nun zur Gestalt am anderen Ende des Pontons, die ich mir jetzt genauer ansah. Große, wogende Umhänge und Roben waren eine prima Sache, wenn man sich einen dramatischen Auftritt verschaffen will, besonders an der frischen Luft und wenn man gegen den Wind stand. Regen konnte einem da die Show vermiesen, ein gleichmäßiger, stetiger Regen, der alles tränkte, ließ einen selbst in der beeindruckendsten Robe einfach nur nass aussehen. Unserem Angreifer klebte sein Outfit mittlerweile am Körper, was unter dem Strich eher grotesk wirkte.
Außerdem ließ der Regen den Stoff dunkler wirken, als er war. Langsam entdeckte ich Hinweise auf Farbe, Robe und Umhang waren eigentlich gar nicht schwarz. Eher lila – allerdings ein sehr dunkles Lila, das schon nah an schwarz heranreichte.
„Magier Rashid?“, fragte ich.
Der Torwächter sah mich an, hob die Hand und schlug die Kapuze zurück, wobei er seinen Stab allerdings weiterhin unverwandt auf mich gerichtet hielt. Rashid hatte ein langes, wettergegerbtes Gesicht mit scharfgeschnittenen Zügen und einer Haut, die an feines, altes Leder erinnerte. Sein kurzer Vollbart war mit silbernen Strähnen durchsetzt, das silberne Haar zu einem kurzen, steifen Stoppelhaarschnitt gestutzt. Eins seiner Augen war dunkel, durch das andere zogen sich zwei hässliche, alte, silberne Narben, die vom Haaransatz bis zum Kiefer reichten. Die Verletzung, die diese Narben verursacht hatte, war so schwer gewesen, dass das betroffene Auge nicht überlebt hatte. Es war durch etwas ersetzt worden, das wie ein Kugellager aus rostfreiem Stahl aussah. „Ja“, sagte Rashid ruhig.
„Das hätte ich gleich sehen müssen. Es gibt nur wenige Magier, die größer sind als ich.“
„Legen Sie Ihren Stab ab, Magier Dresden. Ehe noch jemand verletzt wird.“
„Das kann ich nicht.“
„Ich kann Ihnen nicht erlauben, den Weißen Rat offen zum Kampf herauszufordern.“
„Nein?“ Ich reckte das Kinn. „Weshalb nicht?“
Rashids tiefe, wohlklingende Stimme verriet Besorgnis. „Ihre Stunde ist noch nicht gekommen.“
Meine Brauen gingen hoch, ohne dass ich es gewollt hätte. „Noch nicht ...?“
Er schüttelte den Kopf. „Orte und Zeiten. Dies ist weder der Ort noch die Zeit. Was Sie vorhaben, wird Leben kosten, auch Ihres. Ich wünsche Ihnen nichts Schlechtes, junger Magier, aber wenn Sie sich nicht ergeben wollen: So sei es.“
Ich kniff die Augen zusammen. „Wenn ich nicht tue, was ich mir vorgenommen habe, wird ein Unschuldiger sterben. Ich will nicht gegen Sie kämpfen. Aber ich werde nicht tatenlos zusehen, wie der Schwarze Rat Morgan tötet und dann wieder hinter einem Vorhang verschwindet, um in Zukunft erneut zuschlagen zu können.“
Rashid neigte den Kopf zur Seite. „Der Schwarze Rat?“
„Oder wie ihr sonst dazu sagt. Die Leute, für die der Überläufer arbeitet. Die, die immer wieder versuchen, für Missbehagen zwischen den Mächten zu sorgen. Die immer wieder Unruhe schüren.“
Die Miene des Torwächters ließ nicht erkennen, was ihm durch den Kopf ging. „Unruhe?“
„All diese Verrücktheit, dieses Unheimliche, was wir seit Langem erleben müssen. Geheimnisvolle Gestalten, die FBI-Agenten Wolfsgürtel aushändigen. Vampire des
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