Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)

Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)

Titel: Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher , Oliver Graute
Vom Netzwerk:
noch, trotz allem, was wir gelernt und erfahren hatten. Wir erinnerten uns an die Zeit, als wir noch zu klein waren, um an Lichtschalter heranzukommen, als die Dunkelheit allein reichte, uns vor Angst laut schreien zu lassen.
    Hatte man einmal ordentlich Abstand zur Zivilisation gewonnen, sagen wir mal auf einem großen See, wo meilenweit kein Licht scheint, dann war die Dunkelheit wieder da und wartete. Dann war Dämmerung mehr als nur das Signal, die Kinder vom Spielen auf der Straße ins Haus zu rufen. Dann bedeutete das verblassende Licht noch etwas anderes als nur die Tatsache, dass ein weiterer Tag vergangen war. Dann kam die Nacht. In der Nacht erwachten schreckliche Dinge aus ihrem Schlaf und suchten nach weichem Fleisch und heißem Blut. In der Nacht warfen Wesen einen Blick in unsere Welt, denen es egal war, was wir geschaffen hatten, die in dem, was wir als natürliche Ordnung der Dinge ansahen, keinen Platz hatten. Sie schauten uns von draußen her zu und dachten dunkle und fremdartige Gedanken, und manchmal, ganz manchmal, taten sie auch etwas.
    Als ich den uralten Berg von Dämonenwind hinabstieg, spürte ich überdeutlich, dass die Nacht nicht einfach hereinbrach. Nein: Sie schärfte ihre Krallen.
    Die Strecke bis zum Ende des Pontons legte ich allein zurück, Billy und Georgia blieben im Wald. Wie lautlos und praktisch unsichtbar sich ein Wolf bewegen konnte, kapierte man erst, wenn man einen in Aktion erlebt hatte. Ein Wolf, der von der Intelligenz her ein Mensch war, und noch dazu ein außergewöhnlich intelligenter, konnte, wenn er wollte, praktisch unsichtbar sein.
    Draußen auf dem See umfuhr gerade ein Boot die Boje, die den Zugang zum kleinen Hafen markierte. Es handelte sich um ein weißes Charterboot, wie sie in Chicago zu Dutzenden an Touristen vermietet wurden, etwa sechs Meter lang und mit einer Ausrüstung zum Wasserskilaufen ausgestattet. Der Wind hatte aufgefrischt und wehte aus Südwest, der See wurde kabbeliger. Das Boot schaukelte ein wenig, traf unregelmäßig auf die Wellen, Gischt schäumte auf.
    Ich sah ihm zu, wie es die letzten paar hundert Meter näher kam. Erst dann konnte ich erkennen, wer an Bord war. Hören konnte ich es schon vorher: Obwohl das Boot ziemlich neu war, gab die Maschine seltsame, klappernde Geräusche von sich. Allein daran konnte man die Identität der Insassen festmachen: Der Weiße Rat war anscheinend pünktlich eingetroffen.
    Vorn am Ruder stand, wie ich jetzt sah, Ebenezar McCoy, mit bloßem Kopf, der kahle Schädel glänzte im Regen. Neben ihm kauerte Lauscht-dem-Wind in einem Regenumhang auf dem Beifahrersitz und klammerte sich mit der einen Hand am Bootsrand, mit der anderen an der Instrumententafel fest. Sein wettergegerbtes Gesicht wirkte finster.
    Auf der hinteren Bank saß zwischen zwei anderen Wächtern eine kleine Gestalt in weißer, mit roten Blumen bestickter Seide. Die ehrwürdige Mai war Chinesin und schien so zierlich und zerbrechlich wie eine Teetasse aus Eierschalen. Sie hatte sich das schlohweiße, lange Haar mit Hilfe von Jadekämmen hochgesteckt und strahlte, obwohl sie selbst nach den Maßstäben des Weißen Rates uralt war, immer noch sehr viel von einer Schönheit aus, die in ihrer Jugend tief bewegend, fast schon überirdisch gewesen sein dürfte. Mais Gesichtsausdruck kündete von großer Gelassenheit, die dunklen Augen blickten durchdringend und gnadenlos.
    Diese Frau machte mir Angst.
    Rechts und links der ehrwürdigen Mai saßen mit mürrischen Gesichtern altgediente Wächter in ihren grauen Umhängen. Drei weitere hatten sich auf den Rest des Bootes verteilt, kauerten und hockten mehr schlecht als recht irgendwo, wo sich ihnen ein Plätzchen geboten hatte. Sie alle stammten aus der hartgesottenen Truppe, die sich in Edinburgh in Alarmbereitschaft gehalten hatte, waren bis an die Zähne bewaffnet und schienen es todernst zu meinen. Allerdings fürchteten sie die ehrwürdige Mai wohl ebenso wie ich, denn einer von ihnen hielt einen aufgespannten Schirm über die alte Dame.
    Ich lud Ebenezar vom Ponton aus mit einer Geste ein, gegenüber der Wasserkäfer anzulegen. Das tat er auch, und zwar mit erheblich mehr Geschick als ich, stellte noch im Anlegemanöver den Motor ab und warf mir, kaum stand das Gefährt, die Leinen zu. Ich fing sie auf und vertäute das Boot, ohne den alten Magier auch nur eine Sekunde lang aus den Augen zu lassen. Die ganze Zeit über sagte niemand ein Wort. Nachdem der Motor verstummt war, hörte man

Weitere Kostenlose Bücher