Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
traf sie mit voller Wucht, so dass sie gegen die nächste Wand knallte. Sie landete mit einem hohen Jaulen und einem grässlichen Geräusch, das beängstigend nach knackenden Knochen klang.
Ich hob meinen Stab. Zorn, Entsetzen und Entschlossenheit, alles, was sich in den letzten Stunden in mir gesammelt hatte, floss geballt in das hölzerne Werkzeug. „Forzare!“,schrie ich.
Mein gebündelter Wille entlud sich in einer Lanze aus unsichtbarer Energie, der das Wesen mit aller Macht traf. Mit solchen Kraftstößen hatte ich schon Autos dazu gebracht, sich rückwärts zu überschlagen, aber das grässliche Ding wankte kaum. Es hob die vorderen Gliedmaßen, schlug auf die Luft ein – und der Energiestoß zerschellte an ihm in einem rötlichen Funkenregen.
Allerdings zerrissen die widerstreitenden Energien eine Sekunde lang den Schleier. Ich sah ein Tier, etwas zwischen einem Berglöwen und einem Bären, mit schütterem, schmutzigbraunem, leicht vergilbtem Fell. Das Lebewesen mochte gut und gern mehrere hundert Pfund wiegen. Es hatte übergroße Fangzähne, blutige Krallen und helle, kränklich gelbe Augen, die an ein Reptil erinnerten.
Das abscheuliche, knurrende Maul verzog sich in einer Art und Weise, die so gar nichts von einem Tier hatte. Worte entstanden, wenn auch Worte, die ich nicht begriff. Dabei änderte sich die Form des Mauls fortwährend fließend, und ehe ich noch weiter denken konnte, stürzte sich ein Berglöwe auf mich, der größer war als jeder, von dem ich je gehört hatte, und noch im Anstürmen verschwand das Biest in den Falten eines Schleiers.
Ich hob die linke Hand, bündelte meinen Willen und schickte ihn in das Armband, das ich am linken Handgelenk trug. Wie der Stab war dieses Armband, ein Geflecht aus verschiedenen Metallen, an dem Zauber in der Form mittelalterlicher Schilde hingen, ein Werkzeug, mit dessen Hilfe ich die Energien, die ich beherrschte, schneller und effizienter zu fokussieren vermochte.
Vor mir tauchte eine Halbkugel aus blauweißem Licht auf, in die das Wesen hineinlief wie in eine Steinmauer. Na ja, Steinmauer war vielleicht übertrieben, hastig zusammengeschusterte Holzwand traf es in diesem Fall wohl eher. Als das Wesen dagegen knallte, spürte ich, wie der Schild nachzugeben drohte. Aber wenigstens aufgehalten hatte ich es.
Denn jetzt schlug Billy zu.
Mit gefletschten Zähnen kam der große, dunkle Wolf herbeigeflogen – und erwischte auch wirklich etwas. Als das Wesen wieder aufheulte, klang es nach einem Schmerzensschrei und nicht nach Wut. Wie der Blitz fuhr es zu Billy herum – aber der Anführer der Werwölfe Chicagos hatte bereits den Rückzug angetreten und konnte dem Angriff unseres Gegners gekonnt zur Seite ausweichen.
Nur war das Ding trotzdem noch schneller als Billy. Es bekam ihn an der Schulter zu fassen, wo sich sein Fell sofort blutig färbte. Billy zog die Schultern hoch, duckte sich eng an den Boden, wich nicht zurück.
Damit nun nämlich Georgiaangreifen konnte.
Die trug in Wolfsgestalt ein struppig-braunes Fell, war größer und leichter als Billy und bewegte sich mit todbringender Präzision. Sie führte einen Angriff nach dem anderen gegen das Wesen, zwang es, sich ihr zuzuwenden, drehte sich geschickt immer wieder um die eigene Achse, während sich Billy auf die Flanke des Dings stürzte.
Mit zusammengebissenen Zähnen richtete ich meinen Stab aus, zielte auf die Beine des Wesens und schickte mit einem Schrei meine Lanze aus Energie los. Die Sprengkraft riss tiefe Löcher in den Asphalt, warf den Angreifer zu Boden, zerriss ihm erneut den Schleier. Billy und Georgia stürzten sich auf das Ding, um es am Abhauen zu hindern, während ich meinen Stab hob und neue Energie herbeirief. Noch ein Schuss, und das Vieh würde sich plötzlich unten im Grundwasser wiederfinden, so wahr mir Gott helfe!
Nur zerfloss der Kontrahent Billy und Georgia praktisch unter den Pfoten. Ein Falke mit glitzernden Reptilien-Augen und einer Spannweite, die breiter war als mein Auto lang, hob sich in die Luft, schlug zweimal mit den Flügeln und verschwand am Nachthimmel.
„Scheiße!“ Völlig entgeistert stierte ich ihm nach.
Aber es gab Wichtigeres. Hektisch sah ich mich um, unterstützt vom wild tanzenden Licht meines Amuletts. Nicht weit von mir lag bewusstlos Andi, inzwischen wieder in Menschengestalt, eine Rothaarige mit umwerfender Figur. Ich hastete zu ihr. Der Sturz hatte sie sehr mitgenommen: Wo ihr Körper gegen die Wand geprallt war, bestand er
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