Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
Ich habe keine Zeit, dem Schweinehund unter die Arme zu greifen, ich bewundere lieber das Karma.“ Draußen auf der Straße fuhr der Jaguar meines Bruders am Eingang zur Gasse vorbei, wurde langsamer und hielt am Bordstein.
Ich deutete mit dem Kinn in seine Richtung. „Meine Mitfahrgelegenheit.“
Anastasia musterte Thomas und seinen Wagen mit hochgezogenen Brauen. „Der Vampir?“
„Er schuldete mir einen Gefallen.“
„Ach ja?“ Der Blick, den Anastasia Thomas zuwarf, hatte so gar nichts von: „Hm, lecker!“. Sie sah aus wie eine Schützin, die sich ausrechnete, auf welchen Punkt sie genau zielen musste, um ein bewegliches Objekt zu treffen. „Irrst du dich da nicht?“
„Ganz sicher nicht. Der Weiße König hat ihm befohlen, nett zu sein. Also ist er es.“
„Bis er es dann nicht mehr ist.“
„Als Fußgänger darf man nicht wählerisch sein.“
„Dann ist der Käfer mal wieder verreckt?“
„Wie man’s nimmt.“
„Warum schaffst du dir nicht endlich ein anderes Auto an?“
„Weil ich schon eins habe. Der Käfer ist mein Auto.“
Anastasia lächelte mir zu. „Wieso hört sich diese Aussage bei dir so liebenswert an?“
„Weil ich so charmant bin. Wenn es drauf ankommt, kann ich dafür sorgen, dass die Welt Fußpilz angenehm findet.“
Sie verdrehte immer noch lächelnd die Augen. „Dann begebe ich mich mal wieder zurück nach Edinburgh und helfe, die Fahndung zu koordinieren. Wenn ich dir bei irgend etwas ...“
Ich nickte. „Danke.“
Sie nahm mein Gesicht in beide Hände. „Das mit deinen Freunden tut mir leid. Wenn das alles hier vorbei ist, suchen wir uns ein ruhiges Plätzchen zum Entspannen.“
Ich drehte den Kopf und küsste den Puls an ihrem rechten Handgelenk. „Versprechen kann ich nichts, aber ich sage Bescheid, falls ich irgendetwas finde, was Morgan entlastet.“
„Danke.“ Das kam sehr leise.
Anastasia reckte sich auf die Zehenspitzen, drückte mir einen Abschiedskuss auf die Wange und war kurz darauf in den Schatten hinten in der Gasse verschwunden.
Ich wartete, bis von ihr nichts mehr zu sehen war, ehe ich mich zu meinem Bruder im weißen Jaguar gesellte.
„Verdammt, ist das Mädel fit!“, kommentierte Thomas grinsend. „Wohin jetzt?“
„Hör auf zu glotzen!“, befahl ich streng. „Zu mir nach Hause.“
Falls Morgan vorhatte, mich abzuservieren, konnte ich das genauso gut gleich herausfinden.
11. Kapitel
T homas hielt seinen Jaguar vor dem Mietshaus an, in dem sich meine Wohnung befand, und sagte: „Ich habe mein Mobiltelefon dabei. Versuch, mir Bescheid zu geben, ehe dir die ganze Situation um die Ohren fliegt.“
„Vielleicht explodiert diesmal ja gar nichts. Vielleicht schaffe ich es diesmal mit Verstand, diplomatischem Geschick, Dialog und fruchtbarer Zusammenarbeit.“
Mein Bruder warf mir einen schrägen Blick zu.
„He!“ Ich gab den Beleidigten. „Möglich wäre es!“
Er zog eine schlichte weiße Visitenkarte aus seiner Jeanstasche, auf der nichts weiter als eine Telefonnummer stand. „Ruf diese Nummer an. Der Anruf geht an einen Klon.“
Ich musste wohl ziemlich verständnislos aus der Wäsche geguckt haben.
„An ein supergeheimes Geheimtelefon!“, erklärte Thomas. „Niemand weiß, dass ich es habe, und wenn jemand einen Anruf zurückverfolgt, landen sie nicht bei mir, sondern woanders.“
„Ach so!“, sagte ich. „Natürlich.“
„Du willst wirklich nicht Morgan einpacken und einfach verschwinden?“
Ich schüttelte den Kopf. „Erstmal muss ich ihn auf Stand bringen. Der flippt aus, wenn ich jetzt mit einem Vampir im Schlepptau auftauche. Ausflippen in dem Sinne, dass er versucht, uns beide umzubringen.“ Ich stieg aus. „Wenn man in Morgans Beruf ein Dutzend Dekaden überlebt, wird Paranoia zum Reflex.“
Thomas schnitt eine Grimasse. „Alles klar. Ich besorge dir, was du brauchst. Das dauert circa eine Stunde. Ruf mich an, wenn du soweit bist und ihn verlegen willst.“
Ich prägte mir die Telefonnummer auf der Visitenkarte ein und steckte die Karte weg. „Danke. Das Geld für die Sachen kriegst du später von mir.“
Er verdrehte die Augen. „Ach, halt doch die Klappe, Harry.“
Ich schnaubte und nickte als Zeichen meines Dankes, wir stießen mit den Fäusten aneinander, dann ließ Thomas den Jaguar anrollen und verschwand in der Nacht Chicagos.
Ich mich sorgfältig um – nur in wenigen Wohnungen brannte noch Licht. Die dunklen Umrisse der Häuser waren mir bis in die Einzelheiten hinein
Weitere Kostenlose Bücher