Harry Dresden 14 - Eiskalt: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 14 (German Edition)
Dämmer schließlich gar nicht mehr sehen konnte. Stattdessen bildete sich eine dünne, phosphoreszierende Schicht in Form seiner Pfotenabdrücke auf dem Boden, die genug Licht für uns spendete. Ich spürte, wie Sarissa neben mir immer angespannter wurde; aber sie sagte nichts. Kluges Mädchen. Wenn hier irgendetwas plötzlich aufsprang und uns fressen wollte, würden wir es zuerst hören.
Das Geräusch unserer Schritte auf dem Boden veränderte sich, und ich merkte, dass wir einen großen, offenen Raum betreten hatten. Die leuchtenden Pfotenabdrücke vor uns verschwanden.
Ich blieb stehen und zog Sarissa näher zu mir. Wieder blieb sie völlig still und rang nur kurz nach Luft.
Leise Augenblicke vergingen.
„Sith“, flüsterte ich, „du bist ein verdammt schlechter Fremdenführer. Es ist mir egal, wie groß dein Schatten ist.“
Meine Stimme hallte hohl wider, während ich wartete, aber anscheinend wusste Sith nichts zu antworten. Nach einigen Augenblicken griff ich nach meinem Amulett und zog es unter dem Anzug hervor.
Ich hielt es hoch und konzentrierte mich, schickte ein F ü nkchen meines Willens in das Konstrukt. Einen Atemzug später begann es, blauweiß zu leuchten. Ich hielt es hoch und sah mich um.
Wir befanden uns in einer weiteren Eishöhle, die voll war mit riesigen, bizarren ... Strukturen, ein anderer Begriff dafür fiel mir nicht ein. Ich hätte sie Skulpturen nennen können, nur dass niemand Skulpturen von der Größe eines Gebäudes herstellte, nicht mal aus Eis. Ich sah mich langsam um. Die Strukturen hatten etwas Seltsames an sich, aber auch etwas beinahe ...
Sarissa sah sich auch um. Sie wirkte konzentriert, aber nicht ängstlich. „Sind das ... riesengroße Möbel?“
... Alltägliches.
Die Strukturen waren tatsächlich Skulpturen im Maßstab von ungefähr eins zu acht. Skulpturen eines Sofas, zweier bequemer Sessel, eines gemauerten Kamins, von Bücherregalen ... Mab hatte meine alte Kellerwohnung in Eis nachgebildet, bis zu den Teppichen, die auf dem Boden ins Eis geschnitzt waren.
Ich hatte etwa eine Sekunde Zeit, das Ganze auf mich wirken zu lassen, bis die Höhle in Geräuschen, Farben und Bewegungen explodierte. Eine Welle aus purem Geräusch brandete gegen mich, während plötzlich eine Armee aller dunklen Gestalten, die jemals in einem Märchen vorgekommen waren, am Rande meines Lichtkreises sichtbar wurden. Ihre Schreie kamen von überall.
Für einen sterblichen Magier war das der Super-GAU. Wir konnten unglaubliche Dinge vollbringen, aber wir brauchten dafür Zeit. Manchmal bekamen wir diese Zeit, indem wir uns im Vorfeld gut vorbereiteten und Werkzeuge schufen, die uns halfen, unsere Begabung schneller und präziser zu bündeln. Manchmal bekamen wir Zeit, indem wir uns aussuchten, wann und wo wir unsere Kämpfe begannen. Manchmal schafften wir es, indem wir einen Zauber aus einigen oder einigen Hundert Kilometern Entfernung schleuderten. Aber ich hatte keinen dieser Vorteile.
Während meiner Rekonvaleszenz bei Mab war ich zu beschäftigt mit Erholung oder Schlaf gewesen, um neue Werkzeuge zu erschaffen, und mein Amulett war alles, was ich hatte.
Das Gute war, dass Mab mir magisch gesehen ein ernsthaftes Training verpasst hatte. Ich war gezwungen gewesen, meine Begabung ohne Werkzeuge oder Krücken einzusetzen, oder ich wäre gestorben. Ich war jetzt besser darin, pure Magie zu handhaben, als je zuvor.
Das würde nur leider nicht reichen, um das zu überleben, was da auf mich zukam.
Ich trat ohne nachzudenken zwischen Sarissa und so viele Monstern wie möglich. Ich bündelte meinen Willen in meiner rechten Hand. Blasses, blauweißes Feuer verschluckte plötzlich meine Finger, als ich das Pentagramm fallen ließ. Ich hob die Hand – ich hatte keine Zeit, nachzudenken oder zu zielen –, entschlossen, jemanden mit mir in den Tod zu nehmen.
Sarissas Hand schoss vor und ergriff mein Handgelenk. Sie riss meinen Arm herunter, ehe ich den Zauber loslassen konnte, und in dem riesigen Gebrüll von Lärm hörte ich zwei Dinge.
Als erste rief Sarissa: „Kein Blutvergießen!“
Dann merkte ich, dass alles andere in der Höhle „ÜBERRASCHUNG!“ brüllte.
Die Armee aller Dinge, die je dunkel und hässlich gewesen waren, blieb etwa sechs Meter vor Sarissa und mir stehen, und Wände, Boden und Decken begannen zu leuchten. Musik begann zu spielen, ein ganzes gottverdammtes Symphonieorchester, live, irgendwo auf der anderen Seite der gigantischen Nachbildung meines alten,
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