Harry Dresden 14 - Eiskalt: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 14 (German Edition)
ergriffen hatte. Ich hörte noch immer das raue Krächzen der verschreckten Krähen. In meiner Abwesenheit war keine Zeit vergangen – oder, um es genauer auszudrücken, die Zeit war dort, wo ich gewesen war, im Niemalsland, rascher vergangen als in Chicago. Ich war schon auf der anderen Seite dieser Zeitdilatation gewesen, als ich es mit Kreaturen des Feenlandes zu tun hatte, aber das war das erste Mal, dass ich tatsächlich davon profitierte.
Was ich bis eben nie bedacht hatte. Wären die Dinge so gelaufen, wie sie es normalerweise taten, wenn man in Feenangelegenheiten hineingeriet, hätte ich eine Stunde weg sein können, um nach einem Jahr in etwas, das eine verdammte Einöde hätte sein können wiederzukehren. Der Gedanke drehte mir den Magen um.
Aber ich schätze, ich hatte mich für diesen Ausflug nicht freiwillig gemeldet. Es war nicht so, als wäre ich ein schreckliches Risiko eingegangen – es war einfach vollkommen außer meiner Kontrolle gewesen.
Das war genauso beängstigend.
Während ich dasaß und grübelte, ob das bedeutete, dass ich ein Kontrollfreak war oder einfach nur vernünftig, streckte ein Gruftimädchen den Kopf über den Rand meines Grabes und spähte zu mir herab. Es nahm eine Zigarette in einer dieser langen Fassungen aus dem Mund, atmete den Rauch durch die Nase aus und sagte: „Alter. Das da unten ist ziemlich krass. Wirst du dich jetzt selbst schneiden oder so?“
„Nein“, sagte ich und versteckte kleinlaut meine Hand hinter dem Rücken. Ich sah an mir herunter, und erst dann merkte ich, dass meine Garderobe von der Sidhe-Rüstung zurück zu den Second-Hand-Klamotten gewechselt war, die ich zuvor getragen hatte. „Ich bin gefallen.“
Weitere Gruftis erschienen. Das Mädchen wiederholte sich, und die anderen stimmten zu, ich sei da unten krass.
Ich seufzte. Schließlich sammelte ich meine Sachen ein und kletterte mit einiger widerstrebend angebotenen Hilfe heraus. Ich brauchte die Hilfe nicht, aber ich dachte, es sei gut für das Selbst wertgefühl der Jugendlichen. Dann blickte ich auf all die Leute, die mich ansahen, zog die Schultern hoch und eilte vom Friedhof, bevor noch jemand hilfreich werden konnte.
***
Als ich zurück zu Mollys Wohnung kam, fragte sie: „Wieso riechst du nach Nelken?“
„Die Kinder von heute“; sagte ich. „Ich bin nur froh, dass sie kein Marijuana rauchten.“
„Ah“, sagte Molly. „Gruftis. Dann würde ich raten, dass das Friedhofserde ist?“
„Hör auf, mich zu sherlocken“, sagte ich. „Ja, ist es, und ich gehe duschen. Irgendwas Neues?“
„Noch nicht“, sagte Molly. „Toot wartet draußen auf die Rückkehr seiner Mannschaft. Ich musste ihm eine weitere Pizza versprechen, um ihn davon abzuhalten, selbst rauszugehen und zu suchen. Ich dachte, wir bräuchten ihn, um die Wache zu koordinieren.“
„Gut gedacht“, sagte ich. „Gib mir einen Augenblick.“
Ich betrat mein vorläufiges Quartier und säuberte mich. Es war nicht, weil ich Dreck eines jahrhundertealten Grabes an mir hatte und eine offene Wunde an der Hand und weil ich etwa eine Million schrecklicher Dinge fürchtete, die man aus diesen Zutaten herstellen konnte. Das ganze Magier-Metabolismus-Ding bedeutete, dass unser Immunsystem ziemlich spitzenmäßig war. Ich bezweifelte, dass das Amt des Winterritters nachlässig in der Verteidigung gegen solch banale Dinge war.
Es war zum größten Teil, weil ich mich in nächster Nähe einiger sehr mächtiger Wesen befunden hatte, und solche Wesen strahlten Magie wie Körperwärme aus. Sie gehörte zu der Sorte Dinge, die an einem klebten, wenn man nicht vorsichtig war, vielleicht das Denken beeinflussten und definitiv das Potenzial hatten, alles zu beherrschen, was man mit Magie machte. (Das geschah auch bei Menschen, aber bei denen, auch bei Magiern, war die Aura deutlich weniger mächtig, sodass der Effekt vernachlässigbar war.) Fließendes Wasser spülte die Überreste dieser Art des Kontakts fort, und ich wollte sichergehen, dass mich nicht irgendein mystisches Gepäck, das ich durch meine jüngsten Besuche bekommen hatte, behinderte – was auch immer diese Nacht geschehen würde.
Ich stieg in die Dusche, hielt den Kopf unter das heiße Wasser und dachte nach. Die Mütter hatten versucht, mir etwas mitzuteilen. Vielleicht wollten sie mir nicht einfach geben, was ich wollte – aber sehr, sehr viel wahrscheinlicher war, dass sie es nicht sagen konnten.
Ich hatte Maeve und Lily zu direkten Aussagen gezwungen,
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