Harry Potter und die Kammer des Schreckens
neun Würstchen auf seinen Teller. »Arthur und ich haben uns genauso um dich Sorgen gemacht. Letzte Nacht noch haben wir uns gesagt, wir gehen hin und holen ihn persönlich, wenn er Ron bis Freitag nicht geantwortet hat. Aber hört mal« (jetzt schaufelte sie noch drei Spiegeleier auf Harrys Teller), »einen nicht zugelassenen Wagen übers halbe Land zu fliegen! Hinz und Kunz hätten euch sehen können –«
Lässig schnippte sie mit dem Zauberstab gegen das Geschirr in der Spüle, das sich, leise im Hintergrund klirrend, selber abwusch.
»Es war bewölkt , Mum!«, sagte Fred.
»Sprich nicht mit vollem Mund!«, fauchte Mrs Weasley.
»Sie haben ihn ausgehungert, Mum!«, sagte George.
»Das gilt auch für dich!«, sagte Mrs Weasley, doch mit leicht besänftigter Miene begann sie für Harry Brote zu schneiden und sie mit Butter zu bestreichen.
In diesem Augenblick wurden sie von einer kleinen rothaarigen Gestalt in einem langen Nachthemd abgelenkt, die in der Küche erschien, einen spitzen schrillen Schrei ausstieß und wieder hinaushüpfte.
»Ginny«, sagte Ron mit gedämpfter Stimme zu Harry. »Meine Schwester. Den ganzen Sommer schon redet sie von dir.«
»Tja, sie wird ein Autogramm von dir wollen, Harry«, grinste Fred, doch er fing den Blick seiner Mutter auf und machte sich stumm über seinen Teller her. Keiner sagte mehr ein Wort, bis alle vier Teller leer waren, was überraschend schnell ging.
»Mensch, bin ich müde«, gähnte Fred und legte endlich Messer und Gabel weg. »Ich glaub, ich geh ins Bett und –«
»Das wirst du nicht«, fuhr ihn Mrs Weasley an, »es ist dein Problem, dass du die ganze Nacht auf gewesen bist. Du wirst jetzt den Garten für mich entgnomen, die spielen mal wieder völlig verrückt –«
»Ach Mum –«
»Und ihr auch«, sagte sie mit wütendem Blick auf Ron und George. »Du kannst nach oben ins Bett, mein Lieber«, sagte sie zu Harry gewandt, »du hast sie ja nicht angestiftet, diese Klapperkiste zu fliegen.«
Doch Harry, der sich hellwach fühlte, sagte rasch: »Ich helfe Ron, ich hab noch nie beim Entgnomen –«
»Das ist sehr lieb von dir, Harry, aber es ist eine stumpfsinnige Arbeit«, sagte Mrs Weasley. »Nun, hören wir mal, was Lockhart dazu sagt –«
Und sie zog einen dicken Wälzer vom Kaminsims. George stöhnte auf.
»Mum, wir wissen, wie man einen Garten entgnomt –«
Harry sah auf den Einband von Mrs Weasleys Buch. In verschlungenen Goldlettern standen darauf die Worte: Gilderoy Lockharts Ratgeber für Schädlinge in Haus und Hof . Auf dem Umschlag prangte das Foto eines sehr gut aussehenden Zauberers mit wehendem Blondhaar und hellblauen Augen. Wie immer in der Zaubererwelt bewegte sich das Foto, und der Abgebildete, offenbar Gilderoy Lockhart, zwinkerte ihnen verschmitzt zu. Mrs Weasley sah mit strahlenden Augen zu ihm hinunter.
»Ach, ein wunderbarer Mann«, sagte sie, »er kennt sich aus mit Haushaltsschädlingen, da könnt ihr Gift drauf nehmen, ein fabelhaftes Buch …«
»Mum steht auf ihn«, flüsterte Fred laut und deutlich.
»Mach dich nicht lächerlich, Fred«, sagte Mrs Weasley mit deutlich rosa angehauchten Wangen. »Na gut, wenn ihr glaubt, ihr wüsstet’s besser als Lockhart, dann mal los, und wehe, es ist noch ein einziger Gnom im Garten, wenn ich nachschauen komme.«
Grummelnd und gähnend schlurften die Weasleys nach draußen, Harry im Schlepptau. Der Garten war groß und genau nach Harrys Geschmack. Die Dursleys hätten ihn nicht gemocht – es gab eine Menge Unkraut und das Gras hätte mal gemäht werden müssen – entlang der Mauer standen knorrige Bäume; in den Blumenbeeten wucherten Pflanzen, die Harry noch nie gesehen hatte, und ein großer grüner Teich war voller Frösche.
»Auch Muggel haben Gartengnomen, musst du wissen«, sagte Harry, während sie über den Rasen gingen.
»Ja, ich hab die Dinger gesehen, die sie für Gnomen halten«, sagte Ron, kniete sich hin und steckte den Kopf tief in einen Pfingstrosenbusch, »zum Beispiel fette kleine Weihnachtsmänner mit Angelruten …«
Es gab ein heftiges Gezerre, der Pfingstrosenbusch zitterte und Ron richtete sich auf: »Das ist ein Gnom«, sagte er grimmig.
»Loslassen, loslassen!«, fiepte der Gnom.
Er sah ganz und gar nicht nach einem Weihnachtsmann aus. Er war klein und lederhäutig und hatte einen großen, knubbligen Glatzkopf wie eine Kartoffel. Ron hielt ihn mit ausgestrecktem Arm von sich, weil er mit seinen hornhäutigen kleinen Füßen um sich trat; er
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